Verschmähtes Erbe: Schweizer mögen Habsburg wieder

Verschmaehtes Erbe Schweizer moegen
Verschmaehtes Erbe Schweizer moegen(c) APA (HEERESGESCHICHTLICHES MUSEUM WIE)
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Die Schweiz präsentiert ihr lang verschmähtes Erbe der Habsburger. Deren Stammburg ist im Kanton Aargau. Im Rahmen des Habsburger Kulturtourismus werden Touren zu ihren Wirkungsorten organisiert.

Manch Eidgenosse mag sich die Augen reiben: Auf Schloss Habsburg, dem alten Stammsitz der Habsburger im Schweizer Kanton Aargau, flattert die alte Familienfahne im Wind. Ein ungewohnter Anblick in der streng republikanischen Schweiz.

Die Fahne mit dem roten Löwen markiert den Auftakt des „Habsburger Kulturtourismus“, eines Reiseprogramms des Kantons und Museums Aargau, das Interessierte zu den Ur-Stätten der späteren Herrscher Österreichs locken soll. Eine ist die Habsburg selbst. Hier, auf dem Wülpelsberg, eine halbe Autostunde westlich von Zürich, soll Graf Radbot um 1020 herum seinen entflohenen Habicht gesucht haben. Auf dem Wülpelsberg soll er ihn gefunden haben – und der Hügel sei ihm gut für den Bau einer Burg erschienen.

Es begann mit der Habichtsburg

Also ließ er die „Habichtsburg“ errichten, ursprünglich ein eckiger Turm. Von hier aus zogen seine Nachfahren aus, um ein Reich zu schaffen – beginnend mit 1278, als König Rudolf I. zum Herrn über Österreich und Steiermark wurde.

Heute ist die Trutzburg friedliches Ausflugsziel, die meisten Schweizer haben mit Habsburg wenig am Hut; immerhin wurde die Dynastie, die im Elsass wurzelte, bis zum 15. Jahrhundert von den Schweizern verjagt. „Sie waren Unterdrücker und kamen bei unserem freiheitsliebenden Volk nicht gut an“, sagt eine Besucherin der Burg.

Dennoch wird die Geschichte des Clans in der Schweiz touristisch wiederbelebt. Im Rahmen des Habsburger Kulturtourismus werden Touren zu ihren Wirkungsorten organisiert. Auf der Habsburg wandelt man durch die Reste des Wohnhauses und speist mittelalterlichen Hammeltopf und „krumme Krapfen“. Kredenzt wird Habsburger-Wein aus den Trauben vom Schlosshang, dazu gibt's Schokoladetaler mit Königinnensiegel, „Habsburgerli“ genannt.

„Die Stammlande Europas“

Die ungewohnte Begeisterung erweckt den Anschein, als hätten die urdemokratischen Schweizer die Vorzüge der Monarchie entdeckt. „Nein, wir sind überzeugte Demokraten und Republikaner“, lacht Peter Grünenfelder, Regierungsrat im Aargau. Allerdings gehöre Habsburg zur Geschichte der Schweiz und speziell des Aargaus. „Als Stammlande der Habsburger verstehen wir uns auch als die Stammlande Europas“, so Grünenfelder.

Das sind neue Töne in einem Land, das bekannt ist für seinen unbändigen Stolz, sich nie einem Kaiser oder König unterworfen zu haben. Jahrhundertelang war die helvetische Identität vom Feindbild Habsburger geprägt, die von den Eidgenossen in blutigen Schlachten (etwa 1386 bei Sempach im Kanton Luzern) besiegt und vertrieben wurden.

Doch der Mythos wankt, und seit Jahren besinnen sich die Schweizer auch aufs kulturelle und wirtschaftliche Erbe der Habsburger. Sie werden nicht mehr nur als Gegner wahrgenommen, sondern auch als Kloster- und Städtegründer. Besonders im Aargau sind viele Spuren der Habsburger erhalten: Auf der Lenzburg hielt König Rudolf I. Hof, und in der berühmten Klosterkirche von Muri werden die Herzen des letzten österreichischen Kaiserpaares, Karl und Zita, aufbewahrt. Die Gruft in der Klosterkirche dient noch als Grabstätte für die ehemalige Kaiserfamilie.

Auch die Aargauer Städte Baden, Bremgarten, Königsfelden und Rheinfelden gehören zu den wichtigen habsburgischen Wirkungsorten. Rheinfelden im Fricktal am Rhein blieb sogar bis 1802 bei Österreich. Dort prangt das Habsburger Wappen auf der Fassade des Rathauses, und die Sitzungen im Rathaussaal finden noch immer unter einem Gemälde von Kaiserin Maria Theresia statt.

Wien ist nicht alles

Die Rheinfelder sind voll des Lobes für die Habsburger. Maria Theresia habe die erste Feuerversicherung im Land eingeführt, erzählt ein älterer Herr. Zudem habe man die Kaiserin gemocht, weil sie „typisch schweizerisch niedrige Steuern“ verlangt habe.

Man wolle nun vor allem auch Bewohner von Ländern wie Österreich ansprechen, die selbst eine reiche Habsburg-Vergangenheit hätten, sagt der Aargauer Regierungsrat Peter Grünenfelder. Gespräche mit österreichischen Reiseunternehmen seien auf großes Echo gestoßen. Gut möglich, dass für Touristen mit einem Hang für Habsburg bald nicht mehr nur Wien zum Pflichtprogramm gehört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2010)

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