Die türkische Behörde spricht von sechs weiteren Verletzten am Grenzübergang zu Griechenland. Griechenland dementiert. Präsident Erdogan wirft der EU Menschenrechtsverletzungen vor.
Griechische Grenzschützer haben nach türkischen Angaben einen Flüchtling beim versuchten Grenzübertritt durch Schüsse getötet. Sechs Flüchtlinge seien durch Schüsse "mit scharfer Munition" verletzt worden, teilte das Gouverneursamt der türkischen Region Edirne am Mittwoch mit. Ein Mann sei seinen Verletzungen an der Brust erlegen.
Die griechische Regierung dementiert den tödlichen Vorfall. „Die türkische Seite erfindet und verbreitet Fake News über Griechenland. Heute haben sie sich eine neue Täuschung ausgedacht, dass Menschen durch griechische Schüsse verletzt worden wären. Ich kann das definitv dementieren“, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas.
Berichte über erschossene Migranten hat es bereits am Montag gegeben. In sozialen Medien kursierten Videos, die einen angeblich von einem griechischen Soldaten erschossenen Migranten zeigen sollen. Die Regierung in Athen wies die Darstellung damals zurück. Das Video sei "fake news", twitterte auch damals ein griechischer Regierungssprecher.
Seit der Öffnung der türkischen Grenze zu Griechenland Ende vergangener Woche versuchen tausende Flüchtlinge, in die EU zu gelangen.
Noch bevor Meldungen über mögliche Tote an der griechisch-türkischen Grenze publik wurden, hatten die Regierungschefs der Visegrád-Staaten (Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn) das Vorgehen Griechenlands in Sachen illegale Migration gewürdigt. "Griechenland ist aktionsfähig (...) Endlich!", erklärte Tschechiens Regierungschef Andrej Babis nach einem außerordentlichen Treffen mit seinen Amtskollegen am Mittwoch in Prag in Anspielung auf Griechenlands Vorgehen an seiner Grenze zur Türkei.
Erdogan stellt Bedingungen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der EU unterdessen Bedingungen für eine Lösung des Flüchtlingsstreits gestellt. "Wenn die europäischen Länder das Problem lösen wollen, müssen sie die politischen und humanitären Bemühungen der Türkei in Syrien unterstützen", sagte Erdogan am Mittwoch in einer Rede in Ankara. Einzelheiten nannte Erdogan zunächst nicht.
Wegen der Eskalation des militärischen Konflikts in Nordsyrien hält die Türkei seit dem Wochenende Flüchtlinge nicht mehr davon ab, von ihrem Territorium aus in die EU zu gelangen. Griechische Sicherheitskräfte hinderten seitdem tausende Migranten daran, über die Grenze zu kommen. Es kam wiederholt zu Zusammenstößen. Athen rief die höchste Alarmstufe aus und kündigte an, keine weiteren Asylanträge mehr anzunehmen.
Erdogan kritisierte in seiner Rede den Umgang mit den Flüchtlingen und warf der EU Menschenrechtsverletzungen vor. Alle europäischen Länder, die ihre Grenzen für Flüchtlinge geschlossen hätten und versuchten, sie durch Schläge, ein Versenken ihrer Boote oder sogar Schüsse zurückzudrängen, "treten die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit Füßen", sagte Erdogan.
Militäroffensive in Syrien
Die Türkei geht seit einigen Tagen mit einer großen Militäroffensive gegen die syrischen Regierungstruppen im Nordwesten Syriens vor, nachdem die Kämpfe in der Provinz Idlib eskaliert waren. Bei einem Luftangriff, der mutmaßlich von syrischen Regierungstruppen ausging, waren am Donnerstag 34 türkische Soldaten getötet worden. Die türkische Armee wiederum tötete laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag und Samstag mindestens 74 syrische Soldaten sowie 14 Kämpfer von pro-iranischen Gruppen wie der Hisbollah, die mit der syrischen Armee verbündet sind.
Erdogan hofft nach eigenen Angaben nun auf einen raschen Waffenstillstand in Nordwestsyrien. Er hoffe, dass es nach seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "so schnell wie möglich" zu einer Feuerpause in der Provinz Idlib komme, sagte Erdogan am Mittwoch. Erdogan reist wegen der zunehmenden Spannungen im Syrien-Konflikt am Donnerstag zu einem eintägigen Treffen mit Putin nach Moskau.
Die syrische Armee geht mit militärischer Unterstützung Russlands seit Dezember verstärkt gegen die überwiegend islamistischen und dschihadistischen Milizen in Idlib und benachbarten Provinzen vor, die Milizen werden teils von der Türkei unterstützt. Durch die Gewalt wurden nach UN-Angaben seit Dezember fast eine Million Menschen vertrieben.
(APA/AFP)