Frauenrechte

Brüssel plant verpflichtende Lohntransparenz

Die EU-Kommission will bis Jahresende eine Vorschrift zur Offenlegung von Gehaltsstrukturen in Firmen vorlegen, um die schlechtere Bezahlung von Frauen zu bekämpfen.

In ihrer ersten umfassenden Strategie zur Geschlechtergleichheit stellt die Europäische Kommission am Donnerstag drei Vorschläge mit potenziell tiefgreifenden Folgen vor. Die 19-seitige Mitteilung, welche der „Presse“ vorab vorliegt, kündigt verpflichtende Maßnahmen gegen die Schlechterbezahlung von Frauen an. Sie stellt die Einführung EU-weit verbindlicher Mindeststrafrahmen für sexuelle Belästigung, Frauenmissbrauch und Genitalverstümmelung zur Debatte. Und sie unternimmt einen neuen Versuch, die 2015 von den nationalen Regierungen mit großer Mehrheit abgelehnten Frauenquote in Aufsichtsräten börsenotierter Unternehmen unionsweit festzuschreiben.

Transparenz soll zu mehr Lohngerechtigkeit führen

„Wenn Informationen über Gehaltsniveaus verfügbar sind, ist einfacher, Lücken und Diskriminierung festzustellen“, heißt es in dem Dokument der Kommission. „Wegen eines Mangels an Transparenz wissen vielen Frauen nicht, dass sie zu gering bezahlt werden, oder können es nicht beweisen.“ Darum werde die Kommission bis Ende dieses Jahres „verbindliche Maßnahmen für Gehaltstransparenz“ vorschlagen. Um unangemessene bürokratische Bürden für die Arbeitgeber zu vermeiden, lanciert sie ein öffentliches Konsultationsverfahren und einen neuen Dialog mit den Sozialpartner.

Mit den Mitteln des Strafrechts möchte sie Gewalt gegen Frauen bekämpfen. Zu diesem Zweck gibt es eigentlich bereits eine Konvention des Europarates, die bis Ende 2019 21 EU-Staaten ratifiziert haben. Doch Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Litauen und Lettland haben diese sogenannte Istanbul-Konvention noch nicht angenommen. Im Rat, dem Entscheidungsgremium der nationalen Regierungen, gab es deshalb bisher keine Einigung darauf, dass die Union als Ganze der Konvention beitritt.

EU-Straftatbestand sexuelle Belästigung

„Sollte der Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention weiterhin blockiert bleiben, beabsichtigt die Kommission, 2021 Maßnahmen vorzuschlagen, die innerhalb der Grenzen der EU-Zuständigkeit die selben Ziele wie die Istanbul-Konvention erreichen“, heißt es auf Seite 3 der Mitteilung. Sie beabsichtige, die Schaffung EU-weiter Straftatbestände vorzuschlagen. Das ermöglicht Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Mittels Richtlinien können die Mitgliedstaaten und das Europaparlament „Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität festlegen“ die aufgrund ihrer Art oder ihrer Folgen „eine grenzüberschreitende Dimension haben.“

Derzeit betrifft das Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegalen Drogenhandel, illegalen Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität. Die Kommission möchte dieser Liste „spezifische Formen geschlechterbezogener Gewalt“ hinzufügen und nennt dafür als Beispiele sexuelle Belästigung, die Misshandlung von Frauen und Genitalverstümmelung. Dafür wäre allerdings Einstimmigkeit im Rat notwendig.

Aufsichtsratsquote schon 2015 gescheitert

Keine Einstimmigkeit wäre für das dritte wesentliche Vorhaben der Kommission in ihrer Strategie erforderlich, die Einführung einer verpflichtenden Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsräte börsenotierter Firmen. Allerdings ist ihr Richtlinienvorschlag aus dem Jahr 2012, noch unter dem damaligen Präsident José Manuel Barroso formuliert, drei Jahre später klar im Rat gescheitert. 16 Staaten stimmten dagegen, nur drei wären dafür gewesen. Zweifel an der Rechtsgrundlage, die fehlende Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, mögliche Verstöße gegen die unternehmerische Freiheit sowie der staatliche Eingriff in die Privatautonomie wurden als Argumente dagegen in Stellung gebracht.

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