Der ökonomische Blick

Welcher Ausstieg aus der fossilen Energie beim Heizen ist möglich?

Michaela Bruckberger
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Jede Woche präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Vanessa Lechinger über die Zukunft der Energieversorgung.

Im Regierungsprogramm der neuen türkis-grünen Koalition wird das Thema der Klima- und Energiepolitik prominent adressiert. Durchaus ambitionierte Ziele zur Eindämmung des Klimawandels, wie etwa im Bereich „Heizen“, werden klar formuliert: ein „Phase-out-Plan für fossile Energieträger in der Raumwärme“ bis 2040. Allerdings werden nur wenig konkrete Maßnahmen genannt. Dabei spielt gerade die genaue Umsetzung von umwelterhaltenden Strategien eine wesentliche Rolle, ob und wie Zielsetzungen erreicht werden können. Am Anfang stehen demnach besonders die folgenden Fragen: Welche Haushalte benutzen Kohle, Heizöl oder Gas? Welche dieser Energieträger werden wo verwendet und inwiefern ist dies einkommensabhängig? Wo ist ein Ausstieg schwieriger und wie kann er erleichtert werden? Eine deskriptive Auswertung von Daten der Statistik Austria, durchgeführt am Forschungsinstitut ‚Economics of Inequality‘ (INEQ) der WU Wien, gibt Aufschluss über die Verteilung von Heizungssystemen und Energieträgern privater Haushalte in Österreich und liefert damit einige Antworten auf die obigen Fragen.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Knapp die Hälfte der 3,8 Millionen österreichischen Haushalte heizten im Jahr 2015 mit einer Hauszentralheizung, gefolgt von Fernwärme-Systemen (ca. 945.000 Haushalte) und Etagenheizungen (449.000). An vierter bis sechster Stelle folgen Einzelofen- und Elektroheizungen (jeweils 235.000 bzw. 150.000) sowie Gaskonvektoren (112.000). Das Schlusslicht bilden Haushalte ohne (fest installierte) Heizungssysteme, die einen Anteil von 16.500 Haushalten ausmachen.

Als Energieträger spielt Gas die wichtigste Rolle. Knapp eine Million Haushalte verwenden Gas, gefolgt von Energieträgern der Fernwärme, Brennholz (611.000) und Heizöl (603.000). Strom (253.000), Holzpellets (190.000) und alternative Energieträger (125.000) werden in deutlich geringerem Ausmaß genutzt. Kohle hingegen wird nur mehr in 18.000 Haushalten verwendet.

In Abbildung 1 werden die verschiedenen Kombinationen der eben beschriebenen Heizungsarten und Energieträger grafisch dargestellt. Ein Beispiel: die Hälfte aller österreichischen Haushalte benutzt eine Hauszentralheizung (Breite des Balkens), jedoch mit unterschiedlichen Energieträgern; besonders Brennholz, Heizöl oder Gas sind beliebt (Größe der Flächen), Holzpellets und alternative Energien kommen weitaus weniger häufig vor.

Abbildung 1
Abbildung 1

Phase-out für fossile Energieträger

Zur Untersuchung der Auswirkungen des geplanten „Phase-Outs für fossile Energieträger“ müssen die Charakteristika der Haushalte mit Kohle-, Gas- und Ölheizungen betrachtet werden. Rund eine Million bzw. 27 Prozent der Haushalte verwenden Gas als häufigsten Energieträger, 16 Prozent Heizöl und nur 0,5 Prozent Kohle.

Gas ist der meistverwendete Energieträger und kommt in den unterschiedlichsten Heizsystemen wie Etagenheizungen, Gaskonvektoren und Formen der Hauszentralheizung vor. Geografisch spielt Gas besonders in Ostösterreich und Teilen Vorarlbergs eine Rolle, vor allem aber in Wien. Es wird von unterschiedlichsten Haushaltstypen und Einkommensschichten genutzt, vermehrt jedoch in Haupt- und Untermiete in älteren Mehrparteienwohnhäusern.

Heizöl wird von unterschiedlichen Familientypen, häufig aber von Pensionistenpaarhaushalten oder Paarhaushalten mit einem Kind im mittleren Einkommensbereich sowie im Eigentum und Einfamilienhaus genutzt. Besonders häufig wird Heizöl in Westösterreich und Teilen Kärntens verwendet.

Die 0,5 Prozent der Haushalte, die noch mit Kohle heizen, sind oft (männliche) Singlehaushalte der untersten Einkommensdezile, welche besonders in Ostösterreich und Teilen der Steiermark wohnen; zumeist in Gebäuden, die vor 1970 erbaut wurden.

Diese Daten illustrieren, dass es wohl keine Patentlösung für alle drei fossilen Energieträger geben kann. Nicht nur für die verschiedenen Brennstoffe, aber auch innerhalb einer Kategorie müssen verschiedene Strategien zur Umsetzung der Klimaziele gefunden werden. Kohleheizungen kommen zwar anteilsmäßig sehr selten vor, jedoch befinden sich gerade diese Haushalte primär am unteren Rand der Einkommensverteilung. Heizöl hingegen betrifft besonders mittlere Einkommensdezile, jedoch vermehrt in Westösterreich, wo andere Lösungen gefunden werden müssen als beispielsweise in Wien. In Wien steht besonders die effektive Nutzung bestehender Gasnetze bei einem Umstieg auf „Green Gas“ oder auf Fernwärmeheizungen im Vordergrund. Alternative Energieträger kommen mit nur 3 Prozent der Haushalte noch relativ selten in Österreich vor (Holz ausgenommen), was insbesondere für kleinere Gemeinden großes Potential bei Ausbaumaßnahmen verspricht.

Jedenfalls müssen sowohl die Einkommen, die Unterschiede bei Miet- und Eigentumswohnungen, regionale Differenzen sowie Familienzusammenhänge der Haushalte bei der konkreten Ausgestaltung geeigneter Phase-Out-Strategien berücksichtigt werden. Nur so wird der Ausstieg auf soziale Akzeptanz stoßen, als zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung.


Kurzfassung der Studie: Vanessa Lechinger und Sandra Matzinger; So heizt Österreich - Heizungsarten und Energieträger in österreichischen Haushalten im sozialen Kontext

Die Autorin

Vanessa Lechinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut ‚Economics of Inequality‘ (INEQ) an der WU Wien. Sie forscht schwerpunktmäßig zu Einkommensungleichheit und arbeitet mit Mikrosimulationen zum österreichischen Abgaben- und Steuersystem.

Vanessa Lechinger
Vanessa Lechinger (c) Sonja Spitzer Photography

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