Warten auf die nächste Krise

Warten naechste Krise
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Es steht leider nicht besonders gut um die globale Wirtschaft. Möglicherweise droht im Herbst die nächste Bankenkrise. Ziemlich unverantwortlich, in so einer Situation das Budget auf die lange Bank zu schieben.

Was immer uns Wirtschaftsprognostiker derzeit einreden wollen: Es steht leider nicht besonders gut um die globale Wirtschaft. Gerade gestern erst ließ die in diesen Dingen recht firme dänische Saxo Bank verlauten, sie sehe „eine 50-Prozent-Chance“, dass wir nach dem Sommer wieder in einer veritablen Bankenkrise stecken werden. Der Grund: Die Schuldenkrise in den PIIGS-Ländern (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) ist keineswegs eingedämmt, und die Bemühungen der Euro-Staaten, ihre Budgets in Ordnung zu bringen, seien nett, aber viel zu wenig ehrgeizig, und müssten verstärkt werden. Das ist kein Umfeld, in dem Wachstum gedeiht.

Dass nationale und internationale Wirtschaftsforscher und Notenbanken optimistischere Szenarien zeichnen, hat wenig zu sagen: Dass deren Prognosemodelle mit solchen Krisen nicht zurechtkommen, wissen wir seit 2008. Und dass die sogenannten Stresstests der Notenbanken eher Beruhigungsveranstaltungen sind, zeichnet sich auch immer mehr ab. Aus Deutschland sickerte beispielsweise durch, dass im Wort-Case-Szenario eine Abwertung der PIIGS-Staatsanleihen um zehn Prozent vorgesehen ist. Ein Witz: Allein bei der Griechenland-Krise sackten die Bond-Kurse vorübergehend um mehr als 30 Prozent ab.

Fazit der eingangs zitierten dänischen Banker: Die Stresstests würden erstens nicht wirkliche Stressszenarien widerspiegeln, und zweitens sei wahrscheinlich, dass die Ergebnisse für jene Banken, die durchgefallen sind, (wie in Österreich) gar nicht veröffentlicht würden.

Es sieht also danach aus, dass die EZB und wohl auch die nationalen Euro-Regierungen mit einiger Wahrscheinlichkeit wieder tief in die Schatulle werden greifen müssen, um ihre Finanzsysteme noch einmal zu stützen.

In dieser Situation wäre es beruhigend zu wissen, dass es zumindest für das Wegräumen der alten Scherben einen Plan gibt. In den meisten Euro-Ländern ist das Fall. Die deutsche Regierung etwa hat ihr Budget 2011 samt der notwendigen Sparmaßnahmen gestern verabschiedet.

Die österreichische Regierung hat, wie wir wissen, keinen Plan und will, bis die letzte Landtagswahl im Herbst geschlagen ist, aus politischer Feigheit auch keinen haben. Das ist grob fahrlässig. Wir werden, statt jetzt in Ruhe über die Budgetsanierung (von der bisher nur Wunsch-Globalzahlen, aber keine konkreten Maßnahmen bekannt sind) zu reden, im kommenden Herbst also möglicherweise mitten in einer wieder verschärften Krise panisch Maßnahmen setzen müssen – die dann wohl auch entsprechend ausschauen werden.

Die Herren Faymann und Pröll halten das nicht zuletzt aus dem Aspekt der parteipolitischen Wahlhilfe für ihre regionalen Partei-Filialleiter heraus für schlau. Der Effekt dürfte aber ziemlich gegenteilig sein: Bis dahin werden nämlich öffentlich alle denkbaren Steuer-„Grauslichkeiten“ ausgewalzt. Auch die, die gar nicht kommen werden. Teilweise sogar auf typisch österreichische Art: Die Agrarlobby beispielsweise produziert sich jetzt als strikter Gegner neuer Steuern, die die eigene, schwer alimentierte Klientel betreffen könnten. Während sie gleichzeitig an einem schönen Belastungskatalog für den Rest von uns (euphemistisch „Ökosteuern“ genannt) bastelt.

Jedenfalls: Ob diese ungehemmte mehrmonatige Steuerdiskussion den durch die Budget-Verschiebung gewünschten politischen PR-Effekt bringt, wird man wohl eher anzweifeln dürfen. Da dürfte der angerichtete Schaden wohl größer sein.

Aber Rationalität war ja noch nie die Stärke der österreichischen Wirtschaftspolitik. Infrastrukturministerin Doris Bures etwa hat Anfang Juni beim EU-Verkehrsministerrat in Saragossa die harte Realität erkennen müssen: 26 der 27 EU-Länder (das 27. ist, erraten, Österreich) haben sich für freien Güterverkehr ohne Beschränkungen entschieden, sich von der „Priorität für die Schiene“ verabschiedet und die Ideologie von der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene (die in der Praxis nie funktioniert hat) als „obsolet“ fallen gelassen. Ob man das gut oder schlecht findet, ist hier nicht die Frage: Es ist einfach die Realität.

Und wie reagiert Österreich darauf? Es bohrt trotzig (trotz angeblich laufender „Evaluierung) am Milliardengrab Koralmtunnel weiter, der sich im innerösterreichischen Verkehr niemals rechnen wird und nur als Teil einer großen europäischen Verkehrsachse Sinn ergäbe.

Diese „baltisch-adriatische Verkehrsachse“ hat es (außer in der Fantasie einiger Verkehrsexperten) aber praktisch nie gegeben (weshalb sie auch keine EU-Priorität genießt). Und es wird sie angesichts der Entwicklung der europäischen Verkehrspolitik wohl auch nie geben. Aber Hauptsache, wir vergraben dort ein paar Milliarden, die wir nicht haben.


josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2010)

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