Schadenersatz

OGH: Kein Geld für Schock über Tod zweier Hunde

Hunde der Rasse Weimaraner (Bild) verbissen sich in Kleinhunde.
Hunde der Rasse Weimaraner (Bild) verbissen sich in Kleinhunde.(c) Feature: imago stock&people
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Begegnung von vier Hunden endete für zwei tödlich, für Frauerl ernüchternd.

Wien. Schon das Größenverhältnis zwischen zwei Hundepaaren verhieß nichts Gutes. Dass ihre Besitzer nicht gut aufeinander zu sprechen waren, machte die Begegnung dann so richtig prekär: Nach einem Wortwechsel zwischen Herrl und Frauerl wurden auch die Tiere angriffig – mit letalen Folgen für die kleineren beiden. Ob ihrer Besitzerin für den dabei erlittenen Schock Schadenersatz zusteht, hatte nun der Oberste Gerichtshof (OGH) zu entscheiden.

Ort der Begegnung war ein Güterweg in Niederösterreich. Eine Frau führte ihre beiden kleinen Hunde, einen Havaneser und einen Yorkshire Terrier, an langen Flexileinen. Das sind die, die man wie Maßbänder aus- und einziehen kann. Ein Mann war über eine Jagdleine mit zwei Enden mit zwei ausgebildeten Jagdhunden verbunden: Weimaraner, zwei- bis dreimal so groß wie die beiden Schoßhunde. Die Frau warf dem Mann vor, er schlage seine Hunde, während ihre Hunde wild umhersprangen und seine wie befohlen auf dem Boden lagen.

Der Mann wollte die Diskussion beenden und ging mit seinen Hunden wieder weiter. Ihre Hunde sprangen jedoch bellend auf den Mann und seine Tiere los. Das hätten sie nicht tun sollen: Denn als Reaktion packte jeder der Jagdhunde je einen Schoßhund, mit der Folge, dass die beiden kleinen Tiere wegen schwerer Bissverletzungen nur noch eingeschläfert werden konnten.

Die Frau wollte nach dem Verlust ihrer Lieblinge 15.000 Euro Schockschmerzengeld. Sie klagte den Mann. Während das Bezirksgericht Schwechat die Klage abwies, weil die Frau ihre Tiere nicht unter Kontrolle gehabt habe, sah das Landesgericht Korneuburg die Schuld auf beiden Seiten gleich verteilt: Der Mann und die Frau hätten ihre Hunde nicht ordnungsgemäß geführt, sodass er ihr 7500 Euro Schmerzengeld zahlen sollte.

Das wollte der Herr mit den Jagdhunden aber nicht hinnehmen. Auf seinen Antrag ließ das Landesgericht eine Revision an den OGH zu, und zwar ausschließlich zur Frage, ob Schockschäden infolge der Tötung von Haustieren überhaupt ersatzfähig sind.

Schaden mit Krankheitswert

Diese Art des Schadenersatzes ist eine Erfindung der Gerichte, nach der Rechtsprechung des OGH aber auf Fälle beschränkt, in denen Menschen getötet oder schwerst verletzt wurden: Angehörige (oder später auch schuldlos Unfallbeteiligte), die dabei eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert erleiden (schwere posttraumatische Belastungsstörung), haben Anspruch auf Schmerzengeld. Denn sie sind in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, das gegen jedermann geschützt ist. In einem Extremfall erhielt ein Mann, dessen Familie (Frau, Sohn, zwei Töchter) von einem auf die Gegenfahrbahn geratenen Lkw-Fahrer ausgelöscht worden war, 65.000 Euro Schmerzengeld. Der Mann war schwer depressiv geworden, seine Lebensplanung total zerstört.

In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung billigt der OGH Menschen, die um einen nahen Angehörigen trauern, sogar auch ohne Gesundheitsschädigung Trauerschmerzengeld zu (Größenordnung: 15.000 Euro). Voraussetzung ist aber ein schwereres Verschulden des Täters, nämlich grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz.

Zurück zu den Schockschäden von Tierhaltern: Für die gab es bisher nur vor Landes- und Oberlandesgerichten Schockschmerzengeld – zum Beispiel 70.000 Schilling (5000 Euro) für eine bei einem Verkehrsunfall verletzte, alleinstehende Fußgängerin, deren Zwergpudel überfahren wurde (LG Feldkirch).

Der OGH lehnt das jedoch – zumindest momentan und fallbezogen – ab. „Es mag durchaus sein, dass sich der Stellenwert von Haustieren, die manchmal menschliche Bezugspersonen ersetzen (müssen), aufgrund der zunehmenden Emotionalisierung der Mensch-Haustier-Beziehung in der Wahrnehmung der Gesellschaft geändert hat und psychische Belastungsreaktionen, die durch die Tötung des geliebten Haustieres hervorgerufen werden, in der Allgemeinheit auf mehr Verständnis stoßen“ (10 Ob 3/20v). Allerdings dürfe man die Haftung nicht ausufern lassen; man müsse berücksichtigen, dass sich bei einem fahrlässigen Schädiger ein Schockschaden des Tierbesitzers nicht unbedingt erschließen werde. „Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, die restriktive Haltung der österreichischen Judikatur und Lehre zu überdenken“, sagt der OGH. Immerhin habe die Klägerin den Angriff auf ihre Kleinhunde selbst provoziert, indem sie diese unkontrolliert an den Flexileinen herumtoben ließ. Die Schädigung war deshalb nicht rechtswidrig, Ersatz gibt es keinen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2020)

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