Interview

EU-Gesundheits­kommissarin: "Kein Staat kommt mit dieser Krise alleine zurecht"

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BELGIUM-EU-CHINA-HEALTH-VIRUS-PRESSERAPA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides verteidigt im „Presse"-Gespräch die Zusammenarbeit mit den Regierungen. Eine Untersuchungskommission über den Ursprung von Covid-19 hielte sie für nützlich.

Die Presse: Nach fast zwei Monaten Seuche und Ausnahmezustand in Europa: was ist das Wichtigste, das Sie bisher gelernt haben?

Stella Kyriakides: Wir alle wissen, dass das eine noch nie dagewesene Gesundheitskrise ist. Das an sich ist eine komplett neue Situation für die Mitgliedstaaten, für die ganze Welt. Eine Lehre, die wir daraus gezogen haben, ist: niemand kann mit dieser Krise allein zurande kommen. Weder innerhalb der EU, noch weltweit. Denn es gibt auf so vielen Ebenen eine gegenseitige Abhängigkeit. Wir lernen täglich dazu, während die Krise läuft: wie andere Staaten damit umgehen, wie die Institutionen umgehen. Daraus werden wir später Schlüssen ziehen müssen.

Die Reaktionen der Mitgliedstaaten waren hingegen völlig auf sich selbst bezogen. Es gibt noch immer Ausfuhrbeschränkungen für medizinisches Material innerhalb der EU. Haben Sie überhaupt genug Vertrauen zu den nationalen Regierungen? Noch vor ein paar Wochen haben die Ihnen bei Krisensitzungen versichert: alles unter Kontrolle, wir haben genug Schutzbekleidung, ausreichend viele Beatmungsgeräte, unsere Gesundheitssysteme kommen mit der Pandemie klar. Das stimmte, wie wir heute sehen, nicht.

Ich würde nicht das Wort Vertrauen verwenden. Für mich ist das keine Vertrauensfrage. Es ist eine Frage davon, dass jeder realisiert, dass wir in einer völlig neuen Situation sind. Das schafft für alle neue Realitäten. Und ja: zu Beginn mögen manche Mitgliedstaaten gedacht haben, dass sie es mit einer Krise zu tun haben, mit der sie individuell zurande kommen können. Doch ich sehe jetzt so viele Beispiele von Solidarität und Zusammenarbeit, dass ich weiß, dass wir diese Phase hinter uns haben. Wir dürfen nicht vergessen, wie schnell die Lage sich ändert.

Gewiss. Nur: wie kann die EU koordiniert den Ausstieg aus dem Lockdown schaffen, wenn die Mitgliedstaaten nicht einmal auf einheitliche Weise die dafür notwendigen Daten über Ausbreitung und Tödlichkeit der Pandemie erfassen? Wie soll man da überhaupt daran denken, die Grenzen wieder zu öffnen?

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