Coronagespräche

Marcos Valenzuela: "Eine Braut wird bei der Hochzeit nicht an Corona denken"

Porträt: Marcos Valenzuela
Porträt: Marcos Valenzuela(c) JULIA SPICKER
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Marcos Valenzuela, Designer des Modelabels Tiberius, bleibt auch in der Krise positiv. Er gründete eine Initiative, die österreichische Unternehmen unterstützen soll und legt seinen Fokus derzeit auf das Brautgeschäft.

Das Modelabel Tiberius wurde 1992 von Karl Ammerer gegründet, für das Design zeichnet der gebürtige Kolumbianer Marcos Valenzuela verantwortlich. Der Fokus liegt auf Mode nach Maß mit besonderem Schwerpunkt auf Abend und Brautmode.

Wie gehen Sie mit der derzeitigen Situation um?

Nachdem ich den Schock des Shutdowns verarbeitet hatte, habe ich begonnen an die nächsten Schritte als Unternehmer und auch als Mitglied der Gesellschaft zu denken. Ich bin mit einem positiven Mindset geboren und glaube an die Resilienz, die wir als Menschheit haben. Vor allem glaube ich, dass in der Krisensituation Zusammenhalt und ein Miteinander der bessere Weg ist um schneller und produktiver wieder heraus zu kommen. Darum habe ich die Initiative „#wirsindzusammen / I love Österreichische Kreative" ins Leben gerufen. Sie soll auf das Potential der Kreativen des Landes aufmerksam machen, und die Szene zusammenbringen.

Logo #wirsindzusammen
Logo #wirsindzusammenStudio MS

Privat ist mein Konsum an Nachrichten gestiegen. Als Migrant erlebt man nicht nur die Corona-Situation in Österreich, sondern verfolgt und fühlt auch die Krise im Ursprungsland.

Wie kann es in der Mode weitergehen, was wird sich Ihrer Meinung nach verändern?

Im Moment kann es nur bergauf gehen, nach einem Showdown mit null Umsatz. Das werden viele Betriebe in der Modebranche mittelfristig nicht überleben. Gleichsam werden wir alle aber einen Sinn für mehr Regionalität bekommen. Das wird ad hoc uns österreichischen Designern und regionalen Händlern helfen, hoffe ich. Ob sich in Sachen Industrie etwas in die regionale Richtung verändern wird, wird von den Gegebenheiten der Kostenstrukturen abhängen. Um soziologisch die kommenden Veränderungen einzuschätzen, ist es noch zu früh. Sicher ist eines, durch die Krise haben wir eine andere Perspektive von Wertigkeiten und Notwendigkeiten in unserem Leben bekommen. Mode ist da nicht an erster Stelle.

Geschäfte dürfen jetzt wieder offen halten, ist das eine Erleichterung? Können Sie schon abschätzen, wie sich die Situation entwickelt? Wie steht es um Öffnungszeiten, Umsatz, Kundenzuspruch?

Auf jeden Fall ist es gut, dass die Geschäfte nun alle wieder geöffnet haben. Ich glaube, dass es abseits vom bedarfsorientierten Shoppen die Gastronomie brauchen wird, um einen Teil des Erlebnisses Shopping ebenfalls abzudecken. Tiberius Mode wird von und bei Popp & Kretschmer angeboten. Wir haben erst wieder seit dem 02. Mai geöffnet. Ich denke aber, dass wenn man die positiven Aspekte betrachtet, kann es auch sehr schön sein in Ruhe dort einzukaufen, wo es normal von Touristen wimmelt. Im sehr entspannten Ambiente gegenüber der Wiener Staatoper.

Gibt es Modelle, die jetzt besonders gern gekauft werden?

Die Positionierung von Tiberius ist auf Mode nach Maß ausgerichtet. Derzeit bin ich unter anderem mit der Braut in Coronazeiten beschäftigt. Das Thema ist hochinteressant. Wir haben einen Impact in unseren Werten, der widerspiegelt wie ein Brautpaar aussieht und was es trägt am Hochzeitstag.

Marcos Valenuela
Marcos Valenuela(c) HILDE VAN MAS

Haben sich die Bedürfnisse und Ansprüche der Braut an das Design geändert?

Die selbstbewusste Braut in Coronazeiten legt Wert auf Sicherheit und Funktionalität. Die Schnitte werden einfacher, Details wie schwere Stickerei oder opulente Details werden weitgehend rationalisiert. Auch die Zukunft des Hochzeitskleides bekommt erstmals eine wichtige Rolle, da das Kleid auch später getragen und verwendet werden soll und kann. Die Braut sucht ein foto- und videogenes Kleid. Integrierte Masken kommen für mich und meine Bräute nicht infrage. Bislang gab es diesbezüglich auch keine Anfrage. Ich bin der Meinung, dass obwohl sich in dieser Zeit die Ästhetik von Mode ändert, eine Braut bei der Hochzeit nicht an Corona denken wird.

Kollektion
KollektionPetra Benovsky

Welche Art von Unterstützung würde Ihnen jetzt besonders helfen, bekommen Sie Unterstützung aus einem der Hilfsfonds?

Ich habe eine Unterstützung aus dem Härtefall Fonds Phase 1 bekommen und bin unglaublich dankbar dafür. Das bedeutet zwar nicht, dass ich keine finanziellen oder auch existentiellen Sorgen habe, im Gegenteil. Ein Ansuchen für die Phase 2 steht noch aus. Wenn ich die Situation in anderen Ländern sehe, wo die Bevölkerung keine Unterstützung vom Staat bekommt, wo die Menschen abhängig sind von ihren täglichen Einnahmen, dann sehe ich jede Form von Hilfe mit unglaublich viel Demut und Dankbarkeit.

Eine Unterstützung ist auch ein Interview wie dieses hier, Leser, die potenzielle Kunden sind, werden so aufmerksam auf die Situation der regionalen Modemacher. Mode erscheint oft banal und glänzend, aber es ist ein hartes Business das Arbeitsplätze schafft und Steuereinnahmen bringt. Und Mode ist eine persönliche Ausdrucksform.

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