Unterwegs

Reisefrei

Was 2008 die Banken waren, ist heute die Reisebranche: Schlecht reguliert, nicht krisenfest.

Was einem auf Reisen so alles über den Weg läuft

Betreiben Sie derzeit auch den Volkssport Nummer eins: Das Rennen um die Erstattung des Preises annullierter Reisen und Flüge? Ich sammle seit Beginn der Pandemie pädagogisch wertvolle Erfahrung im Umgang mit gleich mehreren Reiseunternehmen. Der Vermieter jener Wohnung in Bordeaux zum Beispiel, in der wir mit Freunden Ostern zu verbringen gedachten, stellte sich nach der vertragskonformen Stornierung unsererseits schlicht tot: Telefon ausgeschaltet, keine Antwort auf E-Mails.

Doch gottlob erfreut sich Monsieur Guillaume bester Gesundheit: Als meine Frau ihm eine Buchungsanfrage schickte, antwortete er ruckzuck. Gern hätte ich verzichtet, meine Pariser Anwältin ein böses Mahnschreiben verfassen zu lassen, aber immerhin kann ich dank ihm nun mit „meiner Pariser Anwältin“ angeben.

Ähnlich zermürbend ist der Versuch, Fluggesellschaften zur Erstattung des Preises abgesagter Flüge zu bewegen. Mich beschleicht der Eindruck, die Pandemie entblößt die miserable Regulierung der Reisebranche ebenso, wie die Finanzkrise vor einem Jahrzehnt unser Bankenproblem offenbarte. „Wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ müssen die Sanktionen sein, um die Fluglinien zur Einhaltung der EU-Passagierrechte anzuspornen. Die Richtlinie über Pauschalreisen verpflichtet jeden EU-Staat dazu, dafür zu sorgen, dass die Veranstalter selbst im Insolvenzfall ihre Pflicht zur Erstattung erfüllen können.

Wären all diese Vorgaben auch eingehalten worden, wäre das Reisen vielleicht ein bisschen teurer gewesen – aber bei weitem nicht so teuer, wie jetzt der Kampf um unsere Rechte ist.

oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2020)

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