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Wer Wörter streckt, der schneidet auch Nasen ab

Ein "Lächeln", hier mit Maske, aufgenommen an einer Mailänder Hausmauer.
Ein "Lächeln", hier mit Maske, aufgenommen an einer Mailänder Hausmauer.(c) imago images/Independent Photo Agency Int. (Marco Passaro via www.imago-images.de)
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Yeeeees ;) Linguisten wollen neuen Sprachformen im Internet durch Big-Data-Analysen Herr werden. Dazu können wir nur sagen: *hahaha*.

Haben wir keine anderen Sorgen? Jetzt analysieren amerikanische Sprachwissenschaftler auch schon den Gebrauch von gestreckten Wörtern in sozialen Netzwerken(Plos, 27. 5.).  Ooooh mein Goooott! Aber näher beäugt liegt darin durchaus ein Faszinosum.

Wer eine Fremdsprache lernt, tappt ja oft in die Falle, etwas zu kurz zu artikulieren. In Spanien etwa stößt ein nicht ordnungsgemäß gerolltes „r“ auf völliges Unverständnis der intendierten Botschaft. In China will man die Supermarktverkäuferin nach der Milch fragen und macht ihr stattdessen einen Heiratsantrag, nur weil ein Vokal nicht lang genug geraten ist. Anders als diese „Gemination“ von Lauten ändert das Strecken im amikalen Schriftverkehr auf WhatsApp oder Facebook die Bedeutung eines Wortes nur graduell, aber in viele Richtungen. Es signalisiert Exaltation: Schon lang vor Erfindung der neuen Foren wurde ein heimischer Sportmoderator ganz närrisch, weil die Fußballnationalmannschaft ein „Tooooooor“ geschossen hatte. Oder es dient als Steigerungsstufe: Wenn etwas richtig groß ist, dann ist es „groooooß“ (wenn nicht gar „riiiiiiesig“). Die Extension warnt vor Gefahr („Neeeeein!“) oder deutet Ironie an („Na siiiiicher!“).

Ein unheimliches Eigenleben

Diese Beispiele sind dem Sprechen abgelauscht. Aber die schriftliche Streckung hat ein unheimliches Eigenleben entwickelt: Man kann das stumme „e“ am Ende von „pleaseeeeeee“ noch so sehr verlängern, es bleibt unartikulierbar. Auch deshalb macht das wuchernde Phänomen den Linguisten Angst. Sie wollen es bändigen, katalogisieren, zur Not auch durch Eintragung ins Wörterbuch adeln. Aber was genau erwidern denn jene, die das zum Lachen finden? „Haha“? „Hahaha“? Oder gar „Hahahaha“? Man wird der anarchischen neuen Schreibformen nicht Herr. So müssen Algorithmen für Textanalyse, Übersetzung und Korrektur an den Streckungen weiter kläglich scheitern.

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