Polizeikritische Kolumne: Seehofer unentschieden wegen Anzeige gegen Journalistin

Innenminister Horst Seehofer erhält Unterstützung aus seiner Fraktion, Kanzlerin Angela Merkel bremst, die Opposition kritisiert das Vorhaben. Stein des Anstoßes ist eine Kolumne in der „taz“, die sich abschätzig über Polizisten äußerte.

Tut er es oder tut er es nicht? Am Dienstag herrscht nach wie vor Unklarheit über die von Innenminister Horst Seehofer (CSU) geplante Anzeige. Seehofer erhält Unterstützung aus der Unionsfraktion für seinen Plan, eine Autorin der "taz" wegen einer polizeikritischen Zeitungskolumne anzuzeigen. "Eine Anzeige des Bundesinnenministers wäre aus meiner Sicht ein starkes Signal", sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) der "Welt“. "Jeder muss sich an rechtsstaatliche Regeln halten, auch die Presse.“

Kanzlerin Angela Merkel soll Seehofer dagegen zum Überdenken des Planes aufgerufen haben. Ob Seehofer die Strafanzeige tatsächlich stellt, war daher offen. Entgegen seiner Ankündigung vom Sonntag verzichtete
der Minister am Montag vorerst auf einen solchen Schritt. "Die
Entscheidung ist noch nicht gefallen", sagte ein Sprecher des
Bundesinnenministeriums am späten Montagabend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Polizisten auf die Mülldeponie?

Auslöser des Konflikts ist eine Kolumne in der Tageszeitung
"taz". Darin hatte die Autorin vor einer Woche ein Gedankenspiel
angestellt, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei
abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Am Ende hieß es:
"Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie.
Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der
Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter
ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."

Der Text löste Empörung aus, die Chefredaktion der Zeitung
äußerte später ihr Bedauern. Am Sonntag kündigte Seehofer dann in
der "Bild" an, am Montag Strafanzeige gegen die Autorin zu stellen -
als Straftatbestände kämen aus seiner Sicht Volksverhetzung oder
Beleidigung in Frage. Dieses Vorhaben stieß wiederum auf scharfe
Kritik in der Medienbranche.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion,
Konstantin Kuhle, kritisierte das Vorgehen Seehofers. "Der
Bundesinnenminister kippt mit der Ankündigung einer Strafanzeige
gegen die "taz" weiter Öl ins Feuer einer völlig verkorksten
Debatte", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag.

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