Unterwegs

Ein Ausflug in die städtische Peripherie

Zwischen Unorten und den kleinen Enklaven des Alltags im Moloch Moskau.
Zwischen Unorten und den kleinen Enklaven des Alltags im Moloch Moskau.(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Zwischen Unorten und den kleinen Enklaven des Alltags im Moloch Moskau.

Die Moskauer Straßen laufen sternförmig auf den Kreml zu. Das Zentrum der Macht ist das Zentrum der Stadt. Doch woher kommen die Straßen, wo beginnen sie? In den Außenbezirken Moskaus, die den Kreml und die inneren Bezirke wie eine Wucherung umschließen, leben Millionen von Menschen. Jeden Morgen machen sich Hunderttausende auf eine Reise ins Innere der Stadt, in Autos, Bussen oder in der Metro, und am Abend reisen sie zurück in die Vororte. Es sind Massen, denen man normalerweise auszuweichen versucht. Was sagt das Staubarometer? Acht Punkte? Oje! Stoßzeit? Dann besser die Metro meiden!

Fährt man auf einer der überfüllten Autobahnen in die Vororte, wähnt man sich schnell in einer urbanen Hölle. Sich wiederholende Ansammlungen von Autowaschanlagen und Autoreparaturbetrieben, Bau- und Gartencentern, Shisha-Bars und Fast-Food-Imbissen. Parkplätze. Übergänge. Unorte. Dazwischen die in die Jahre gekommenen Errungenschaften der kommunistischen Fließbandarchitektur: verwaschene Wohnblocks, die aus wildwucherndem Grün herauswachsen. Auf manchen von ihnen stehen in großen Lettern die Bezirksnamen geschrieben. Sie klingen wie Bandengebiete: Tschertanowo, Konkowo, Altufjewo.

Doch ausgerechnet dort, im Inneren der Viertel, hat irgendjemand in den Vorgärten auf eigene Faust Blumen angepflanzt und ein paar Bänkchen zusammengestellt. An lauen Abenden sitzen die Bewohner hier zusammen und knacken Sonnenblumenkerne. Kindergeschrei hallt durch die Höfe. Und in der Ferne zieht der Verkehr vorbei.

jutta.sommerbauer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2020)

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