Großbritannien und die Volksrepublik China werfen sich gegenseitig die Verletzung der Übergabevereinbarung von 1997 vor.
Peking/London. Die Volksrepublik China, die mit der Inkraftsetzung des neuen Sicherheitsgesetzes für Hongkong die Übergabevereinbarungen von 1997 mit Großbritannien gebrochen hat, wirft jetzt ihrerseits den Briten Verstöße gegen internationales Recht vor. Grund ist die Ankündigung Londons, bis zu drei Millionen Einwohnern Hongkongs die Einreise und den Erwerb der britischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern.
„Alle Hongkonger Landsleute, einschließlich jene, die einen Pass als britische Bürger in Übersee haben, sind chinesische Staatsbürger“, dekretierte gestern Außenamtssprecher Zhao Lijian. Wenn Großbritannien an seinem Vorhaben festhalte, werde es chinesische Gegenmaßnahmen geben.
Peking weist weiter jegliche internationale Kritik an seinem Sicherheitsgesetz für Hongkong als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zurück, während der britische Außenminister, Dominic Raab, den KP-Machthabern vorwarf, mit dem Gesetz die bisher in Hongkong garantierten Freiheiten zu strangulieren: „Das ist ein schwerwiegender und zutiefst beunruhigender Schritt.“
Auch die australische Regierung erwägt, wegen der „äußerst besorgniserregenden Lage“ in der Sonderverwaltungszone Spezialvisa für Bewohner Hongkongs auszustellen, die durch das neue Gesetz gefährdet sein könnten. Taiwan riet Bürgern vor unnötigen Besuchen oder Transit-Stopps in Hongkong, Macao oder auf dem Festland ab. Taipeh sieht Pekings Sicherheitsgesetz als „das haarsträubendste Gesetz der Geschichte“, weil es weltweite Anwendung inkludiere.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen warnte ebenfalls, das Gesetz erlaube es der Volksrepublik, nicht nur Journalisten in Hongkong, sondern auch Medienschaffende im Ausland mit Haft zu bedrohen und sie einzuschüchtern. Regierungen weltweit müssten deshalb verhindern, dass Peking eine „neue Medienweltordnung“ nach seinem Geschmack schaffe. (DPA/Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2020)