Darstellerinnen im Salzburger „Jedermann“ von einst und jetzt im Gespräch. Die Buhlschaft liebt ihren Jedermann, davon ist Caroline Peters überzeugt.
Ein großer Auftritt auf dem Marktplatz der Eitelkeiten, ein kathartisches Erlebnis oder einfach ein wichtiger Moment im Leben eines Schauspielers oder einer Schauspielerin? Ein Gespräch mit „Jedermann“-Darstellerinnen von früher und jetzt offenbart die Freude und die Ambivalenzen angesichts dieses Erlebnisses. Der Oscar ist es nicht, aber doch eine Art Ritter(innen)-Schlag, wenn das Offert aus Salzburg kommt, in Hofmannsthals Spiel vom Sterben des reichen Mannes mitzuwirken.
Frauen haben in dem Stück angeblich wenig zu reden, sie erscheinen als Lockvogel (die Buhlschaft), als Krankenschwester (gute Werke, das „Gute“ wurde wie übrigens auch im Originaltext neuerdings gestrichen) oder als Geschundene (Schuldknechts Weib): Martina Stilp spielte 2018 die sonst in Lumpen auftretende Frau als schicke Dame der Gesellschaft, deren Mann sich möglicherweise mittels hoher Kredite in die High Society eingekauft hat und nun pleite ist.
Caroline Peters scheint sich schon ganz auf ihr heuriges Erscheinen auf dem Domplatz eingestellt zu haben, der Burgstar, der exzentrische Diven wie tragische Irre gleichermaßen souverän beherrscht, muss seit Kurzem viel lächeln. Peters tut es, die Buhlschaft scheint ihr zu gefallen, „obwohl ich nicht damit gerechnet habe, dass diese Rolle derart viel Aufmerksamkeit genießt“. Als Jedermann sterben muss, verlässt ihn seine Geliebte, trotzdem: „Sie liebt ihn!“ Davon ist Peters überzeugt. Die Buhlschaft stehe für „Freude, pralles Leben, die Lust am Augenblick. Sie fordert alle auf, das Jetzt zu genießen. Gedanken ans Sterben wischt sie beiseite. Jedermann ist für sie der perfekte Kumpan. Ihm kommen zwar Zweifel am Dasein, aber sie lässt das nicht zu.“ Wer wäre die Buhlschaft heute? Peters: „Ein Rockstar, ein Insta-Girl, vielleicht aber auch ein Typ wie Kate Moss in ihrer schlimmsten Koksphase mit Pete Doherty.“
Sinneslust. Der „Jedermann“ lebt von Prototypen, von starken Kontrasten wie Vitalität, Verfall, Leben, Tod – und er begeistert dank seines einmaligen Ambientes. „Licht, Stille, der Raum vor dem Dom, das sparsame Bühnenbild“ beeindruckten Dörte Lyssewski. Sie war Grillparzers Libussa (in der Regie von Peter Stein) und Jedermann Ulrich Tukurs Buhlschaft. Die Sinneslust dieser Frau sei „eine sehr schöne Komponente“, erinnert sich Lyssewski. Das Stück sei keineswegs ein „Buh-Ei“. Die größte Befürchtung des Dichters war eine Profanisierung, schließlich fand die Uraufführung 1911 in einem Schauspielhaus statt, im Berliner Zirkus Schumann. Der „Jedermann“ beziehe sich im Übrigen, so Lyssewski, nicht nur auf das Christentum, sondern auch auf den Buddhismus und die Geschichte von den drei Freunden, „die man mit in den Tod nimmt“. In dieser Allegorie brilliert seit Jahren Peter Lohmeyer. Eine Tödin wagte Ferdinand Schmalz bei seiner „Jedermann“-Version im Burgtheater, Barbara Petritsch spielte diese dunkel schillernde Gestalt – und überdies die Buhlschaft, eine spannende Mischung. Auch Mavie Hörbiger war in dieser beliebten und gelungenen Produktion markant präsent: als Mammon und als gute Werke, in letzterer Rolle ist sie auch in Salzburg zu erleben: „Eine gläubige Katholikin bin ich nicht“, sagt Hörbiger. „Aber der Domplatz ist nice.“ Das Stück findet sie „patriarchalisch und antifeministisch. Schon allein wegen der Anzahl der Frauen. Und was haben die Frauen hier überhaupt zu sagen?“ Immerhin, die Mutter, die Geliebte und die Werke bilden eine Art „heilige Dreifaltigkeit“. Schmalz’ „Jedermann“ ist jedenfalls moderner.