Bis vor wenigen Jahren waren Gespräche über Cannabis auch in medizinischen Zusammenhängen tabu. Mittlerweile sind erste Medikamente mit synthetisch hergestellten Cannabinoiden erhältlich, darunter solche gegen den Grünen Star. Ein Rück- und ein Ausblick.
Cannabis ist seit Jahrtausenden nicht nur als Genuss- und Rauschmittel in Gebrauch, es galt seit je, wie Funde und alte Schriften belegen, auch als Heilmittel. Eine der frühesten Erwähnungen von Cannabis als Bestandteil einer Arznei – die Rezeptur einer Paste für entzündete Finger- oder Fußnägel – findet sich im etwa 3600 Jahre alten medizinischen Papyrus Ebers aus dem alten Ägypten, das in der Leipziger Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. In medizinischen Tempelinschriften und auf den Papyri des Ramesseum in Theben, eines im 13. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung errichteten Totentempels des Pharaos Ramses II., ist ein Heilmittel für die Augen erwähnt, das als Rezeptur für die Behandlung des Glaukoms gedeutet wird: „Sellerie, Hanf werden zermahlen und im Tau der Nacht gelassen. Beide Augen des Patienten werden damit am Morgen gewaschen.“
Im chinesischen Heilkräuterbuch „Shennong Bencaojing“, zwischen 300 vor und 200 nach unserer Zeitrechnung verfasst, wird der Hanf ebenso wie in der 1587 vom chinesischen Arzt Li Shizhen fertiggestellten medizinischen Enzyklopädie „Bencao Gangmu“ erwähnt. Auch in arabischen sowie antiken griechischen und römischen Texten und selbstverständlich in allen ayurvedischen Schriften der traditionellen indischen Heilkunst wird dem Hanf eine Rolle als Heilmittel eingeräumt, etwa gegen Nervosität, Übellaunigkeit, Senilität, Kopfschmerzen, Skorpionstiche, gegen Frauenleiden, als Schmerz- und Entspannungsmittel und dergleichen mehr.
Einer der womöglich cannabiskundigsten europäischen Mediziner des 19. Jahrhunderts war der Ire William Brooke O'Shaughnessy (1809–1889). Er verbrachte mehrere Jahre im Dienst der Ostindienkompanie als Chirurg in Kalkutta und befasste sich in experimentellen Studien mit traditionellen indischen Heilpflanzen, darunter auch mit dem Hanf. Als O'Shaughnessy nach England zurückkehrte, nahm er auch Rezepturen für traditionelle Hanftinkturen mit. Er gilt heute dank seiner Publikationen als einer der wichtigsten Vorreiter für die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Europa und den USA.