In seine alte Heimat Südafrika zieht es Claus Haar, Personalchef von Borealis, nicht. Eher nach Asien.
Aus seinem verglasten Eckbüro im 27. Stockwerk des IZD Tower in Wien-Kaisermühlen blickt Claus Haar auf die Donauinsel hinab. Am 11. Februar vor zwei Jahren hat er das Büro als neuer Personalchef in der Wiener Zentrale des Kunststoffkonzerns Borealis bezogen. Sein Vertrag läuft auf fünf Jahre, und sehr wahrscheinlich werde er noch etwas verlängern. Aber spätestens danach wollen er und seine Frau Österreich verlassen: „Die Pension hier zu verbringen, das ist keine Option. Nein, sicher nicht.“
Österreich sei in vielem „sehr europäisch, zu europäisch“, findet Haar: „Hier arbeitet man daran, die Vergangenheit zu bewahren. Das wirkt mitunter etwas deprimierend. Asien im Gegenteil ist von einer Aufbruchstimmung beherrscht.“ Dort, konkret im Norden Thailands, will er nach seiner langjährigen internationalen Karriere eines Tages sesshaft werden: „Wir sind halt Asien-Fans“, sagt Haar. Auch das Einfamilienhaus der Haars am Wiener Stadtrand ist mit den Möbeln aus der Zeit in Singapur und Hongkong ausgestattet. In Wien vermisst der 54-Jährige nun vor allem authentisches, unverfälschtes Essen aus Fernost: „Das ist alles an den europäischen Geschmack angepasst.“ Von seiner alten Heimat, Südafrika, halten den Personalchef indes die hohe Kriminalitätsrate und die gesellschaftlichen Spannungen fern.
Eher Beamten- als Wirtschaftsstandort
Trotzdem trägt er die Seidenkrawatte mit den afrikanischen Elefanten noch ab und zu, „um ein Zeichen zu setzen“, wie er sagt. Nostalgische Zeichen seiner internationalen Karriere hat Haar auch in seinem Büro gesetzt: eine Buddhastatue, filigrane Holzstatuetten und ein Alphornbläser aus Porzellan zeugen von Berufsjahren in der Schweiz, in Singapur und Hongkong.
Was er in Österreich außer dem echten asiatischen Essen vermisst, ist Internationalität: Von den Flugverbindungen bis zu den Zentralen internationaler Konzerne sei man hier schlechter aufgestellt als die benachbarte Schweiz: „Wien ist eher ein Beamtenstandort als ein Wirtschaftsstandort. Das merkt man auch daran, wie sich die Krise auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt hat.“ So sei die Arbeitslosigkeit in Oberösterreich am Höhepunkt der Krise um 55 Prozent, in Wien nur um 10 Prozent gestiegen.
Das weniger als Wirtschafts- denn als Kulturmetropole geschärfte Profil mache es schwierig, internationale Spitzenkräfte für Österreich zu rekrutieren: „Wir müssen uns ziemlich anstrengen, Wien bei zukünftigen Mitarbeitern gut zu verkaufen. Es hat einfach nicht den Stellenwert als Wirtschaftsstandort wie London, Brüssel oder Frankfurt. Es dauert auch lange, Leute hier gut zu integrieren. Andererseits ist es mindestens ebenso schwierig, Österreicher zu beruflicher Mobilität zu bewegen. Woran das liegt, weiß ich nicht, vielleicht weil es hier so schön ist“, sagt Haar und lächelt milde. Gut, aber mit der Zeit etwas einseitig, empfindet er die österreichische Küche: „Nach Gulasch, Schnitzel, Tafelspitz und Knödel hat man sich durch die österreichische Küche schnell durchgegessen. Da hätte ich ehrlich gesagt mehr Vielfalt erwartet.“ Fragt man nach der österreichischen Mentalität, macht der sonst eloquente Haar erst einmal eine längere Pause: „Man ist hier viel politischer und weniger direkt als beispielsweise in Deutschland. Und wie gesagt, es fehlt etwas an Beweglichkeit“, bemerkt der Südafrikaner mit deutschen Wurzeln. An seinen beiden Töchtern, die mit regelmäßigen Orts- und Jobwechseln aufgewachsen sind, erfährt der 54-Jährige allerdings nun auch die Schattenseiten der Mobilität: Die jüngere, 27, studiert im australischen Brisbane, ihre um drei Jahre ältere Schwester lebt in Frankfurt: „Was leider bedeutet, dass wir sie viel zu selten sehen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2010)