Binationale Ehen: Zwei Nationen unter einem Dach

Binantionale Ehen Zwei Nationen
Binantionale Ehen Zwei Nationen(c) Clemens Fabry
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Die Familie Schaffelhofer-Garcia Marquez lebt seit neun Jahren zwei Kulturen: Die österreichische und die guatemaltekische. Das Ehepaar ist heute eines von zehntausenden binationalen verheirateten Paaren in Österreich.

WIEN. Der erste Kontakt fand 10.000 Kilometer von Wien statt, in Guatemala City, der Hauptstadt von Guatemala. Dort traf Elisabeth Schaffelhofer vor fast zehn Jahren auf Oscar Garcia Marquez. Heute sind die beiden bereits neun Jahre verheiratet und leben gemeinsam in Wien23 mit ihren Töchtern Luna, Nieves und Evita. Elisabeth Schaffelhofer, heute Schaffelhofer-Garcia Marquez, war im Dezember 2000 nach Guatemala City gekommen, um für ihre Dissertation über die Umsetzung der Kinderrechtekonvention in Guatemala zu forschen – und am fünften Tag ihres Auslandsaufenthalts auf Oscar getroffen: Eine Bekannte hatte die beiden einander vorgestellt.

Hochzeit nach acht Monaten

Zuerst war das Gefühl einer „tiefen Freundschaft“, erzählen beide. Bald kam die Verliebtheit. Nach sechs Monaten in Guatemala, Oscars Heimat, ging es für Elisabeth wieder zurück nach Wien. Schon im August 2001 waren die beiden standesamtlich verheiratet, Oscar zog ins „kalte und noch unbekannte“ Wien. „Nicht, weil ich aus Guatemala rauswollte, eigentlich wollte ich dort bleiben, nachdem ich lange in den USA gewesen war. Aber dann kam Elisabeth.“

Das Ehepaar ist heute eines von zehntausenden binationalen verheirateten Paaren in Österreich; 2009 wurden rund 6200 Ehen (17Prozent) zwischen österreichischen und ausländischen Partnern geschlossen. Ab 2002 war die Zahl der standesamtlichen Hochzeiten zwischen zwei Nationen Jahr für Jahr gestiegen. Ab 2006 nahmen die binationalen Ehen dann auf rund 7500 im Jahr ab, nachdem es davor knapp mehr als 10.000 im Jahr waren. Experten sehen einen Zusammenhang mit dem schärferen Fremdenrecht.

„Heute wären die Hürden höher“, wissen auch Oscar und Elisabeth Garcia Marquez. Zum Beispiel bei der Staatsbürgerschaft: Bis 2006 hätte Oscar dafür entweder vier Jahre im Land leben und ein Jahr verheiratet sein müssen oder aber drei Jahre hier leben und zwei Jahre verheiratet sein müssen. Wobei Oscar bis heute nicht Österreicher ist, sondern die guatemaltekische Staatsbürgerschaft behalten hat: aus Liebe zu seiner alten Heimat. Und Elisabeth ist „nur“ Österreicherin, so wie die gemeinsamen Kinder, die auch später noch Guatemaltekinnen werden können.

Auf die standesamtliche folgte 2002 die kirchliche Hochzeit von Elisabeth und Oscar. Mit einem großen Fest, zu dem außer den österreichischen auch viele guatemaltekische Verwandte und Freunde nach Österreich kamen.

„Wir sind eine richtige Partyfamilie“, sagt Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez. Sie habe schon immer gern in großer Runde gefeiert. Es sei aber auch der lateinamerikanische Einfluss ihres Mannes: lachen, fröhlich sein, feiern. Sich mit Nachbarn treffen, wenn die Fußball-WM im Fernsehen läuft. „Sie ist sehr tolerant“, sagt Oscar über seine Frau, die wenig mit Fußball – in seiner Heimat war er lange Profispieler – anfangen kann. Aber man gebe sich viel Freiraum.

Das braucht es auch, wenn die zwei Nationalitäten aufeinanderprallen: zum Beispiel, wenn es um die Erziehung von Luna (6), Nieves(3) und der neugeborenen Evita geht. Oscar sei von der Tradition geprägt, dass der Vater „sagt, was getan wird, und die Kinder haben zu folgen“, sagt Elisabeth, die „mehr mit den Kindern diskutiert“. Zum Beispiel übers Zimmeraufräumen. „Bei den Zielen sind wir aber im Einklang, nur nicht immer beim Wie“, sagen beide.

Gesprochen wird in der Familie nur Spanisch. „Es war von Anfang an unsere gemeinsame Sprache“, sagt das Ehepaar. Sobald Deutschsprachige dazukommen, switchen aber alle Familienmitglieder „ruck, zuck auf Deutsch“. Auch Oscar kann sich heute gut in der früher so schwierigen Sprache verständigen. Das braucht er auch als Betreiber eines Catering-Unternehmens für Empanadas, die typisch mittelamerikanischen gefüllten Teigtaschen. Und in der Trainerausbildung für die Uefa-B-Lizenz, die er bald abschließen will. Wobei es beim Kontakt mit Behörden nur selten Probleme gegeben habe. Beim „Juristendeutsch“ hilft Elisabeth. Die Juristin ist Geschäftsführerin des Netzwerks Kinderrechte Österreich.

Aufnahme als „guter Ausländer“

Ausländerfeindlichkeit erlebt Oscar in Wien persönlich kaum. Nicht in der Arbeit, die er in der Gastronomie begonnen hat, und nicht im Privatleben. Wobei der 23.Bezirk ein „gutes Pflaster“ für freundlichen oder sogar freundschaftlichen Umgang sei. Die meisten nähmen Oscar vermutlich als „guten Ausländer“ wahr, anders als viele andere Zuwanderer, glaubt auch Elisabeth.

In Oscars alte Heimat kommt die Familie nur noch selten. Die Gewalt in Guatemala, auch gegenüber Ausländern, hat stark zugenommen. Ob die Familie einmal in das Land, 10.000 Kilometer von Wien, übersiedeln könnte, sobald es dort wieder sicherer ist? Zumindest für eine begrenzte Zeit will sie das nicht ausschließen. „Wir fühlen uns aber alle hier zu Hause.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2010)

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