Im Herbst 2015 kreuzen sich die Wege von Anas Modamani und der deutschen Kanzlerin für wenige Sekunden. Er knipst ein Handyfoto mit Angela Merkel, das um die Welt geht und sein Leben komplett verändert – und Merkels Kanzlerschaft prägt. Ein Treffen mit dem Syrer fünf Jahre danach in Berlin.
Eine Ähnlichkeit ist nicht abzustreiten. Aber erkennen würde man ihn nicht. Das Gesicht ist kantiger geworden, die Schultern breiter und der Bizeps sieht aus, als könnte er gleich die Ärmel seines T-Shirts sprengen. Aus dem schmächtigen Heranwachsenden auf dem Bild, das um die Welt gegangen ist, ist ein kräftiger junger Mann geworden, der im Fitnessstudio seinen Körper stählt.
»Die Frau im himmelblauen Blazer erkennt er nicht.
Es ist Angela Merkel.«
Fünf Jahre ist es her, dass sich die Wege von Anas Modamani und der Frau im himmelblauen Blazer „für ein paar Sekunden“ gekreuzt haben, als er sein Handy gezückt und ein Selfie geknipst hat. Erst danach hatte er auf Arabisch erklärt bekommen, dass die Frau auf dem Bild die „Chefin von Deutschland“ ist. Es wird Tage geben, da wird er dieses Bild bereuen. Und es wird vermutlich auch Tage geben, da wird sie dieses Bild bereuen. Beide wird es jedenfalls verfolgen. Also Anas, den syrischen Flüchtling, und Angela Merkel, die „Chefin von Deutschland“.