Der flüchtige Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek soll dem russischen Geheimdienst bei dubiosen Geldgeschäften geholfen sowie illegale Glücksspielfirmen unterstützt haben, schreibt das „Handelsblatt“.
Der seit zwei Monaten abgängige Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek soll auf dem Anwesen in Moskau, auf dem er sich aufhält, unter Aufsicht des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR stehen, schreibt das „Handelsblatt“ und nennt als Quelle Bekannte von Marsalek, die „aus Gründen ihrer eigenen Sicherheit“ nicht namentlich genannt werden wollen. Der SWR soll Marsalek, der aus Klagenfurt über Tallinn nach Minsk geflüchtet war, von dort abgeholt haben. Marsalek soll die Zusicherung erhalten haben, dass er nicht ausgeliefert wird.
Marsalek hatte sich rechtzeitig abgesetzt – vier Tage, bevor Wirecard einräumen musste, dass es sich bei 1,9 Mrd. Euro, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien liegen sollten, um Luftbuchungen handelte.
Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Marsalek Hilfe hatte, wahrscheinlich von einem Geheimdienst. Der Fall sorgt auch in Russland für Aufsehen. „Wir sehen nicht das Ende, sondern den Anfang einer großen Spionageschichte, von letztendlich größerer Bedeutung als die Affäre um den NSA-Überläufer Snowden“, schreibt das den Geheimdiensten nahestehende Blatt „Versija“. Das „Handelsblatt“ zitiert Roman Dobrochotow, einen führenden Investigativjournalisten. Ihm zufolge könnte Marsalek für Russland eine Art Zahlungskurier gewesen sein. Marsalek soll geholfen haben, Gelder für pikante russische Auslandsoperationen zu transferieren, etwa für getarnte russische Investitionen in Libyen sowie zur Bezahlung von Söldnern in Syrien, der Ukraine und afrikanischen Staaten. Damit wäre Marsalek ein „Geheimnisträger erster Güte“.
Zudem soll der Ex-Wirecard-Vizechef für russische Betreiber von Onlinecasinos und Glücksspielseiten Geschäfte angebahnt haben. Offiziell sind solche Geschäfte in Russland verboten, Wirecard könnte einen Ausweg geboten haben. Dafür spricht, dass über Wirecards Partner in Dubai zahlreiche Glücksspiel- und Pornotransaktionen abgewickelt wurden, wie aus Unterlagen hervorgeht, die dem „Handelsblatt“ vorliegen.
Marsalek soll auch offen gegenüber Bekannten damit angegeben haben, dass Wirecard für alle möglichen Geheimdienste Kreditkarten herstelle und Informationen über Zahlungsflüsse und die Personen dahinter liefern könnte. Dabei wollte Marsalek sowohl mit dem US-Geheimdienst, den britischen, kanadischen, australischen und neuseeländischen Diensten, dem deutschen BND und dem israelischen Mossad zusammengearbeitet haben.
Politstreit in Deutschland
Dass er auch mit dem BND zusammengearbeitet haben soll, sorgt nun für Aufregung in Deutschland. „Dem Bundesnachrichtendienst liegen keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zur Wirecard AG vor“, teilte die deutsche Bundesregierung dem Parlament mit – eine Aussage, mit der sich die Opposition nicht zufriedengeben will.
Im deutschen Bundestag zeichnet sich ein Untersuchungsausschuss zur Causa Wirecard ab. „Es kann nicht mehr darum gehen, ob wir einen Untersuchungsausschuss brauchen, sondern nur noch darum, was genau dieser untersuchen soll“, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar der Nachrichtenagentur Reuters.
Dieser Tage trifft sich der Finanzausschuss des deutschen Bundestages zu Sondersitzungen im Fall Wirecard. Am Montag ging es um die Rolle des Kanzleramts in dem Betrugsskandal. Außerdem war Justizministerin Christine Lambrecht geladen. Der Chef der Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, sowie Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling sollen am Dienstag Rede und Antwort stehen.
(b. l.)