Hochschulen vor der Belastungsprobe

Mehr Studenten, weniger Geld: Dem Uni-System droht der Kollaps. Eine Analyse.

Wien.Es war ruhig geworden um die einst lauten Audimax-Besetzer. Seit aber fix ist, dass die Regierung wie an den Unis auch an den Fachhochschulen die Budgets einfriert, scheint die Protestbewegung zurück zu sein. Für den Herbst haben die Studenten erneut Widerstand gegen die Bildungspolitik der Regierung angekündigt. Für Uni-Ministerin Beatrix Karl (ÖVP), die sich eine Vielzahl an Projekten aufgeladen hat, wird der Semesterbeginn nicht nur deshalb zur Feuerprobe.
•Zugangsdilemma. Bereits im Vorjahr erreichte die Zahl der Studierenden einen neuen Höchststand. 267.000 inskribierten an der Uni – macht ein Plus von 13,7Prozent. Dieses Wintersemester wird der Andrang wohl noch größer ausfallen, nicht zuletzt wegen doppelter Abiturjahrgänge in einigen deutschen Bundesländern. Das ohnehin überlastete heimische Bildungssystem ist darauf nicht vorbereitet.

Im Gegenteil: Der Ausbau der FH, die lange nicht mehr alle Bewerber fassen können, wurde erstmals gestoppt. Parallel wird (nach Medizin und Psychologie) der Zugang zum Massenfach Publizistik beschränkt. Für all jene, die keinen Platz bekommen, hat die Ministerin – abgesehen von der Bitte, man möge ein nicht so beliebtes technisches oder naturwissenschaftliches Fach inskribieren – keine Exit-Strategie parat. Das Problem überfüllter Hörsäle wird sich nur verlagern. Auf EU-Ebene will Karl in Kürze ansprechen, wie Österreich die Zahl deutscher Numerus-clausus-Flüchtlinge eindämmen kann. Lösungen sind nicht in Sicht.
•Unklare Studieneingangsphase.
Abhilfe könnte die von Karl im Frühjahr präsentierte Studieneingangsphase für alle Fächer bieten, an deren Ende eine Art Knock-out-Prüfung nur die Besten weiterstudieren lässt. Das Problem: Die Eingangsphase kommt frühestens im Studienjahr 2011/12, und auch nur dann, wenn sich Karl mit der SPÖ einigt. Diese hat vorerst zugestimmt, will aber ihr Mantra vom freien Uni-Zugang nicht wirklich aufgeben. Die Eingangsphase droht damit zur Farce zu werden.
•Finanznot. An den Unis werden die Budgets ab 2013 nicht steigen – die Folge ist ein reales Budgetminus in bis zu dreistelliger Millionenhöhe. Rektoren drohen mit Kündigungen und der Schließung von Studiengängen. Auch die FH können frühestens 2011 mit zusätzlichen Mitteln rechnen – auch das nur, falls die ÖVP die „Ökologisierung des Steuersystems“ wahr machen kann. Karl riet den Unis zuletzt, sie sollten besser kooperieren, um Betriebskosten zu sparen.

Als Ergebnis des Hochschuldialogs will die Ministerin im Herbst Modelle zur Studienplatzfinanzierung (die Unis bekämen einen Fixbetrag pro Student) prüfen. Dass es zur Umstellung kommt, ist unwahrscheinlich. Das zeigt ein Blick auf die bisherige Debatte um das Konzept: Die Rektoren sind dafür, SPÖ und ÖVP auch. Um Umsetzung hat man sich nie bemüht.
•„Bologna Reloaded“. Zum Stolperstein dürfte die Überarbeitung der an vielen Unis missglückten Bologna-Reform werden, die Karl verordnet hat. Die Rektoren legen sich quer und verweisen auf ihre Autonomie. Selbst wenn es zur Überarbeitung der gerade erst neu gestalteten Studienpläne kommt, werden Ergebnisse – wegen langer Übergangsfristen – erst in mehreren Jahren sichtbar.
•Hochschulplan, Faculty-Modell. Auch die innere Struktur der Unis will Karl reformieren und auf ein Faculty-Modell umbauen. Sie stößt dabei auf Gegenwehr der Professoren, die ihre Position in Gefahr sehen. Dauerbrenner ist der „Österreichische Hochschulplan“, der die Aufgaben von Unis und FH besser abstimmen soll. Dieser wird seit Jahren versprochen, passiert ist nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2010)

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