Österreichs Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2010 ist real um 0,9 Prozent höher als in den ersten drei Monaten. Im Jahresvergleich beträgt das Wachstum somit 1,9 Prozent.
Das Wachstum der heimischen Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal stark beschleunigt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im Vergleich zum ersten Quartal real sprunghaft um 0,9 Prozent gewachsen. Real bedeutet, dass Saison- und Kalendereffekte wie etwa mehr Feiertage berücksichtigt wurden.
Im Vergleich zum Vorjahresquartal erhöhte sich das BIP um 1,9 Prozent, wie aus der Schnellschätzung des Wifo hervorgeht. Im ersten Quartal dagegen stagnierte die Wirtschaft noch, der Wert für das 1. Quartal wurde auf 0,0 von zuvor -0,1 Prozent revidiert.
BruttoInlandsProdukt
Das Brutto-Inlands-Produkt ist die Summe aller Wertschöpfungen innerhalb einer Volkswirtschaft. Es entsteht aus der Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen der einzelnen Betriebe. Steuern werden addiert, Subventionen abgezogen. Ein stark vereinfachtes Beispiel: Ein Importeur kauft eine Ware X um 15 Euro. Er verkauft sie um 18 Euro an einen Großhändler. Dieser verkauft sie um 21 Euro an einen Einzelhändler. Dort kauft sie ein Konsument um 26 Euro. Hier wurden 3+3+5 = 11 Euro Wertschöpfung erzielt, das BIP stieg dadurch um elf Euro.
Warenexporte steigen, Investitionen stagnieren
Der Warenausfuhr kam die kräftige Belebung der Auslandsnachfrage nach heimischen Produkten zugute, der Gesamtexport stieg gegenüber der Vorperiode real um 2,2 Prozent (1. Quartal +1,0 Prozent). Davon profitierte vor allem die heimische Sachgütererzeugung: Sie weitete ihre Wertschöpfung gegenüber der Vorperiode real um 3 Prozent aus, berichtet das Wifo.
Hingegen war auch im 2. Quartal noch keine Belebung der Investitionsnachfrage zu verzeichnen. Der reale Rückgang der Anlageinvestitionen (sowohl Bau- als auch Ausrüstungsinvestitionen) gegenüber dem ersten Quartal 2010 um 0,9 Prozent zeigt jedoch eine Verlangsamung der Abwärtsdynamik (1. Quartal -2 Prozent).
Die Wifo-Schätzung im Überblick:
Wirtschaft auf gutem Weg
Für den weiteren Jahresverlauf gehen die beiden Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und IHS weiterhin von einer positiven Konjunkturentwicklung aus. Wifo-Experte Marcus Scheiblecker erwartet für das Gesamtjahr 2010 weiterhin ein "schönes Plus um die 1,2 Prozent", im nächsten Quartal werde sich das Wachstum aber ein wenig abschwächen. IHS-Experte Ulrich Schuh bleibt bei der "sehr optimistischen" Prognose des IHS von 1,5 Prozent. Diese scheine "sehr gut abgesichert".
"Hauptverantwortlich für das Wirtschaftswachstum sind eindeutig die Exporte", kommentiert Scheiblecker die heute, Freitag, vom Wifo veröffentlichte Schnellschätzung für das BIP-Wachstum im zweiten Quartal. Sein IHS-Kollege Schuh weist auf die "sehr schwache" Vorperiode hin. Beide Experten sehen das kräftige deutsche Wirtschaftswachstum - dort stieg das BIP zum Vorquartal um 2,2 Prozent - als Hauptgrund für das positive heimische Ergebnis.
Produktion hat noch zu wenig zu tun
Die rückläufige Investitionsnachfrage und das schwache Importwachstum im zweiten Quartal liege an der mangelnden Kapazitätsauslastung der heimischen Produktion, so die Experten. Laut Schuh investieren Unternehmer mangels Absatzchancen weniger. Auch der niedrige Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) könne daran nichts ändern, wenn ihn die Privatbanken nicht umsetzten und bei der Kreditvergabe zu risikoscheu bleiben, ergänzt Scheiblecker.
Erholung am Arbeitsmarkt flacht ab
Der heimische Arbeitsmarkt hat sich laut dem Wifo-Experten zuletzt sehr gut entwickelt, aber: "Die Dynamik wird sich im weiteren Jahresverlauf abflachen". Auch der IHS-Experte zeigt sich von den Beschäftigungszahlen "ausnehmend positiv überrascht". Hier hätten auch politische Maßnahmen gut funktioniert. Die Inflationsrate solle stabil bleiben. Für Scheiblecker bleibt der "treibende Effekt für die Preisentwicklung der Erdölpreis". Schuh fügt hinzu: "Wir rechnen mit einer Inflationsrate von 1,7 Prozent, also mit einer Rückkehr zum Zielwert der EU." Er unterstreicht weiters die wichtige Rolle der hohen heimischen Nachfrage - die Sparquote sei gering, die Konsumenten "weniger risikoscheu als die Unternehmer".
Gefahr aus den USA
Gefahr für die europäische Konjunktur geht für die beiden Ökonomen von negativen Entwicklungen in den USA aus. Sie weisen auf die großen Probleme am US-amerikanischen Arbeitsmarkt hin. "Die amerikanische Wirtschaft wächst zwar stark, aber der Arbeitsmarkt erholt sich dennoch nicht", so Schuh. Dies sei untypisch für das Land, auch sei abzuwarten, wie die US-Wirtschaft ohne die massiven staatlichen Hilfsgelder auskomme und die stark negative Leistungsbilanz verkrafte. Mit einem "double dip" der europäischen Wirtschaft, also einem Rückfall in die Rezession nach dem Aufschwung, rechnen beide Experten nicht. "Sollte es in den USA zu einem 'double dip' kommen, wird sich das europäische Wachstum stark bremsen, aber nicht ins Negative fallen", sagt Scheiblecker.
Von der EZB erwarten die Experten weiterhin konjunkturfördernde Maßnahmen. An ein Anheben der Leitzinsen und ein Ende des Ankaufs von Staatsanleihen sollte die EZB "noch lange nicht denken", fordert Scheiblecker. Dazu seien die Konsumentenpreise nach wie vor zu stark vom Erdölpreis abhängig und die Kapazitätsauslastung zu gering. "Die europäische Zentralbank muss eine überhöhte Inflationsdynamik vermeiden", warnt Schuh.
(Ag./Red)