Lockdown

Wie Corona Europas Metropolen heimsucht

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In vielen europäischen Hauptstädten werden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verschärft. Einige Metropolen befinden sich bereits mitten im zweiten Lockdown. Ein Überblick.

Rasant steigt die Zahl der Covid-19-Erkrankungen derzeit wieder in Europa. Besonders stark betroffen sind die Metropolen, wo aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte die Lage außer Kontrolle zu geraten droht und Krankenhäuser wegen Überlastung bereits Alarm schlagen. Doch vor einem zweiten, möglicherweise wirtschaftlich verheerenden Lockdown schrecken nationale Regierungen noch zurück. Und so hofft man, durch lokale Schließungen die Ausbreitung des Coronavirus doch noch einzubremsen.

Just vor den Herbstferien sperren beliebte Touristenziele wie Paris, Madrid oder Prag de facto zu – und auch in Rom oder Moskau werden Alltag und Sozialleben stark eingeschränkt. Hier die jüngsten Maßnahmen:

Paris

Gästeregistrierung in einem Pariser Restaurant
Gästeregistrierung in einem Pariser RestaurantAPA/AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Besorgniserregend ist schon seit Wochen die Lage in Paris: Die täglichen Infektionszahlen sind bereits höher als im Frühling. Spitäler müssen wegen der vielen Covidkranken jede fünfte Operation absagen. Die meisten Infizierten sind 20 bis 30 Jahre alt, inzwischen steigen aber auch unter den über 65-Jährigen die Erkrankungen. Mehr als 250 von 100.000 Menschen haben sich in Paris in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus infiziert.

Nach langem Zögern greifen nun doch die Behörden ein: So ist seit Montag die französische Hauptstadt dunkelrote Zone, ebenso wie bereits das südfranzösische Marseille. Vergnügungen werden eingeschränkt: Bars und Cafés müssen schließen, ebenso wie Clubs und Discos, Fitnesszentren oder Schwimmbäder. Partys sind nicht mehr erlaubt. Restaurants, aber auch Kinos, Theater und Museen, dürfen bei Einhaltung verschärfter Hygieneregeln geöffnet bleiben. Alkohol darf weiterhin ab 22 Uhr nicht mehr verkauft werden, in Restaurants darf Wein oder Bier nur noch zum Essen bestellt werden. Und in Supermärkten gilt eine Kunden-Höchstzahl.

Die Maßnahmen sollen zunächst zwei Wochen lang gelten, dann wird die Lage neu bewertet: „Die Epidemie schreitet zu schnell voran. Wir müssen jetzt auf die Bremse treten“, mahnte am Montag der Pariser Polizeipräfekt Didier Lallement.

Madrid

Kontrollen in Madrid
Kontrollen in Madridimago images/Agencia EFE

Polizeikontrollen an allen Zufahrtsstraßen. Millionen Bürger, die ihre Stadt nicht mehr verlassen dürfen. Zugleich gilt ein Einreiseverbot für Auswärtige sowie Touristen. Und eine frühzeitige Sperrstunde für Bars und Restaurants ab 22 Uhr: Die drastischen Corona-Beschränkungen, die seit vergangenem Wochenende in ganz Madrid gelten, versetzen Spaniens Hauptstadt und neun umliegende Vorstädte erneut in eine Art Ausnahmezustand. „Die Situation in Madrid ist außerordentlich schlimm“, warnt Spaniens Premier, Pedro Sánchez.

Wochenlang hatten Sánchez und sein Gesundheitsminister, Salvador Illa, an die konservative Regionalregierung des Großraums Madrid appelliert, endlich entschlossene Maßnahmen gegen den neuen heftigen Virus-Ausbruch im gesamten Hauptstadtgebiet zu beschließen. Doch Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso lehnte ab. Erst schaute sie der Entwicklung tatenlos zu. Dann beschloss sie den Lockdown einiger Arbeiterviertel im Süden, wo die höchsten Infektionsraten gemeldet werden.

Da aber auch im Stadtzentrum und im Norden bedenklich hohe Fallzahlen registriert werden, platzte der Sánchez-Regierung der Kragen. Sie erklärte ganz Madrid zum Sperrgebiet. Die 3,3 Millionen Einwohner können nun zwar noch aus dem Haus gehen und sich in ihrer Stadt frei bewegen. Aber die Madrilenen dürfen das Stadtgebiet nur noch aus triftigem Grund verlassen – etwa um außerhalb der Stadt zu arbeiten.
Madrid ist inzwischen Europas Corona-Hauptstadt: Und die hohen Ansteckungszahlen in der Region Madrid lösen in ganz Europa Besorgnis aus. Im Einzugsgebiet der Hauptstadt lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 234 Fällen pro 100.000 Einwohner, in einigen Brennpunktvierteln sogar bei mehr als 600 Fällen pro 100.000 Bewohner.

Rom

Maskenpflicht im Freien, Trevi-Brunnen in Rom
Maskenpflicht im Freien, Trevi-Brunnen in RomREUTERS

Alarmglocken läuten auch in Rom: Dort sind die Infektionszahlen zwar im Vergleich zu anderen Metropolen weiter niedrig, aber den Behörden steigen sie dennoch zu schnell. Von etwa 12.000 PCR-Tests in der Region Latium waren am vergangenen Sonntag 244 positiv, davon 91 in deren Hauptstadt Rom. Die Regionalregierung reagierte prompt auf die wachsende Infektionszahl: Seit Samstag gilt in Rom und ganz Latium Maskenpflicht auch im Freien. Das Heer soll dafür sorgen, dass die Maßnahme eingehalten wird. Bei Verstößen drohen mit bis zu 3000 Euro empfindlich hohe Geldstrafen.

Nach der traumatischen Erfahrung im Frühling und insgesamt fast 36.000 Todesfällen ist Italien jetzt besonders vorsichtig. Angesichts steigender Zahlen wird wohl demnächst die Maskenpflicht im Freien – samt hohen Strafen – auf das ganze Land ausgeweitet. Zudem soll fortan eine Sperrstunde für Lokale ab 23 Uhr in ganz Italien gelten, wie sie bereits viele Regionen eingeführt haben. Auch der Ausnahmezustand soll bis Ende Jänner verlängert werden.

Prag

Eine Menschenleere Karlsbrücke in Prag
Eine Menschenleere Karlsbrücke in Pragimago images/CTK Photo

Seit Montag steht in weiten Teilen der tschechischen Republik wieder Heimschule auf dem Stundenplan: Die Studierenden der oberen Klassen im Gymnasium und der weiterführenden Schulen sowie die Universitäten des Landes müssen ihre Unterrichtseinheiten wieder von zu Hause vor dem Computer absolvieren.

Für die tschechische Hauptstadt steht die Corona-Ampel auf Rot – genauso wie für die Stadt Uherské Hradiště im Südosten des Landes. Doch in insgesamt 58 Regionen, in denen die Corona-Ampel auf Orange gesprungen ist, müssen die älteren Schüler für vorerst zwei Wochen daheim bleiben. In Kindergärten und Volksschulen herrscht – vorerst – Normalbetrieb. In Tschechien ist am Montag erneut der Notstand in Kraft getreten. Der Ausnahmezustand ermöglicht es der Regierung, Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit einzuschränken und Maßnahmen ohne Zustimmung des Parlaments zu treffen. Der rasante Anstieg an Neuinfektionen hat Tschechien nach Spanien und Frankreich an dritte Stelle der am stärksten betroffenen Länder Europas katapultiert. Zuletzt war am Freitag mit 3792 Fällen ein neuer Höchststand bei den täglichen Neuinfektionen erreicht worden.

Für Veranstaltungen und Versammlungen gilt eine maximale Teilnehmerzahl von zehn Personen in Innenräumen und 20 im Freien. Ab Mittwoch ist um 22 Uhr Sperrstunde in Restaurants und Bars. Zuletzt hatten sich die Prager Clubs zu Corona-Hotspots entwickelt: Vor allem junge Deutsche reisten für den Abend nach Prag, um dort zu feiern und zu tanzen.

Firmen und Geschäfte sind nicht betroffen. Die Grenzen zu Österreich und Deutschland bleiben offen. Wer allerdings von Prag nach Österreich einreist, muss einen negativen Coronatest vorlegen oder in Quarantäne.

Moskau

Ist es der Beginn eines zweiten Lockdowns? Nach nur einem Monat Schulbetrieb werden in der russischen Hauptstadt die Schulen erneut geschlossen. Das wurde am Montag bekannt. Wie schon im Frühling ist also wieder Online-Unterricht angesagt. Unternehmen sind angehalten, ihre Mitarbeiter im Home-Office arbeiten zu lassen. Und Alte und chronisch Kranke sollen das Haus hüten.

Mit diesen Maßnahmen reagiert der Moskauer Bürgermeister, Sergej Sobjanin, auf die sich drastisch verschlechternde epidemiologische Situation. Es sind die Folgen eines Sommers, in dem Russland so tat, als sei das Coronavirus bereits besiegt und die russische Impfung zum Greifen nah – beides Trugschlüsse.

Wenig Abstand, dafür Masken in einem Hörsaal in Moskau
Wenig Abstand, dafür Masken in einem Hörsaal in MoskauAPA/AFP/NATALIA KOLESNIKOVA

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen in Moskau längere Zeit auffällig auf einem Niveau von rund 700 täglichen Fällen stagniert war, steigen die Fallzahlen seit zwei Wochen rasant an. Ob diese Entwicklung real ist oder die Statistik nicht eher an die Realität „angepasst“ wurde, ist offen. Knapp 11.000 neue Covidfälle wurden jedenfalls gestern in Russland gemeldet, 3500 davon allein in Moskau. Damit ist die Zahl der Neuinfizierten wieder so hoch wie Mitte Mai, als das Land in einem Teil-Lockdown war.

Eine abermalige Schließung von weiten Teilen des Handels und der Gastronomie will man dieses Mal vermeiden. Die Behörden versuchen derzeit mit Einzelmaßnahmen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, damit es nicht zu einer Überlastung der Krankenhäuser kommt. Wie schon im Frühling dürften in Moskau erneut Tausende Krankenhausbetten zu Covidstationen umgewidmet werden. Erschwerend für die Behörden kommt hinzu, dass die Bevölkerung die (nach wie vor bestehende) Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Verkehr zu einem Gutteil ignoriert. Da gut gemeinte Aufrufe meist ungehört verhallen, setzen die Behörden zunehmend auf öffentlichkeitswirksame Strafen gegen Corona-Sünder. Sogar dem altehrwürdigen Tschaikowsky-Konzertsaal drohen nun 300.000 Rubel (umgerechnet 3200 Euro) Strafe wegen Verletzung des „Maskenregimes“.

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