Schach-Serie

Netflix-Serie „Das Damengambit“: Schach-Hype und Zuschauerrekord

(c) Netflix (PHIL BRAY)
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"The Queen's Gambit" hat einen Rekord für Netflix aufgestellt. Die Schachszenen sind fast alle glaubwürdig - auch dank Garri Kasparow.

Ein Waisenkind mit Hang zu Rauschmitteln lernt in den 1960er Jahren das Schachspielen und stellt die Welt der Großmeister auf den Kopf: Die Handlung der Netflix-Serie "Das Damengambit" klingt simpel, aber die Serie ist raffiniert gemacht und lebt von seiner starken Hauptfigur Beth Harmon (exzellent: Anya Taylor-Joy). Sie erzählt Dramatisches mit der Leichtigkeit einer Komödie. Das kommt auch bei den Zuschauern an: Im ersten Monat haben mehr als 60 Millionen Haushalte die Literaturverfilmung gestreamt. Das bedeutet einen Rekord für eine Netflix-Miniserie.

Weite Strecken der Serie wurden in Berlin gedreht, das als Kulisse für Kentucky, Paris oder Moskau stand. So können Zuschauer die Karl-Marx-Allee erkennen, die in den 50er Jahren im Stil des sozialistischen Klassizismus errichtet wurde. Die Waisenhausfassade gehört zu Schloss Schulzendorf südlich Berlins.

Walter Tevis, Autor der Serien-Vorlage, wuchs selbst in Kentucky auf. Er wurde während eines Heimaufenthalts tablettensüchtig (wie seine Romanfigur Beth Harmon). Er konnte mit Gleichaltrigen nichts anfangen und flüchtete als Jugendlicher in ein Spiel. In seinem Fall war es Billard. Mit "Haie der Großstadt", 1961 prominent verfilmt, gelang Tevis der Durchbruch als Schriftsteller.

Idealisierte Version von Bobby Fischer

In jener Zeit machte ein junger Schachspieler aus Brooklyn namens Bobby Fischer von sich reden. Auch Tevis entdeckte Schach. Seine Beth Harmon schuf er später in vieler Hinsicht als idealisierte, weibliche Version von Fischer. Als der 1972 Weltmeister wurde, boomte das Spiel in den USA. Schachsets waren ausverkauft, Schachlehrer ausgebucht.

Das wiederholt sich derzeit. Seit vier Wochen ist "The Queen’s Gambit", so der Originaltitel, die meistgesehene Netflix-Serie weltweit und schaffte es in 63 Ländern auf Platz eins. Und auch das Buch schlägt ein: 37 Jahre nach seinem Erscheinen hat es der Walter-Tevis-Roman in die "New York Times"-Bestsellerliste geschafft.

Online hat "Das Damengambit" dem seit dem ersten Lockdown boomenden Brettspiel einen zusätzlichen Hype verschafft. Auf Plattformen wie chess.com oder LiChess haben sich die Neuregistrierungen in den vergangenen Wochen verfünffacht. Großmeisterinnen sind derzeit gefragte Interviewpartner. Beth Harmon wird wohl zum "Schachspieler des Jahres" gewählt und nicht Profi Magnus Carlsen. Als der Weltmeister seine kürzlich gestarteten Champions-Chess-Onlineturniere promotete, wurde er vor allem nach "Das Damengambit" gefragt. Die Serie sei toll, sagte Carlsen, aber leider nicht ganz realistisch.

Garri Kasparow wählte die Partien

Aber stimmt das? Was auf dem schachbrett in der Serie passiert, ist fast alles glaubwürdig ist. Das ist den Beratern der Serienmacher zu verdanken. Die Züge der Heldin Beth Harmon stammen aus Großmeister-Partien, die der frühere Weltmeister Garri Kasparow ausgewählt hat. Sich am Brett wie echte Turnierspieler zu verhalten, dabei half der New Yorker Schachlehrer Bruce Pandolfini den Schauspielern. Bücher, Figuren und Schachuhren aus den 60er-Jahren tragen zur Authentizität bei.

Unrealistisch ist hingegen, wie rasch Beth Harmon fast ohne Rückschläge an die Weltspitze aufsteigt. Selbst ein Remis, wie das im Spitzenschach häufige Unentschieden heißt, wird dem Netflix-Publikum nicht zugemutet. Die Männer, die die Serienheldin schlägt, reagieren höflich und anerkennend. Von realen Gegnern wäre einer echten Beth Harmon in dem Fall Sexismus entgegengeschlagen, sagen viele Kenner der Schachwelt. Das könnte der tiefere Grund sein, warum auch viele Spieler die Serie lieben: "Das Damengambit" zeigt die Schachwelt wie sie gerne wäre.

(APA/dpa)

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