Diese Woche entscheidet sich in den Brexit- und Rechtsstaatskrisen, ob die Kommissionspräsidentin ihre Kritiker Lügen straft und politische Führungsstärke beweist. Das Brexit-Dinner mit Boris Johnson brachte keinen Durchbruch.
Neun Stimmen: mit so einer dünnen Mehrheit wurde bisher noch kein Präsident der Europäischen Kommission vom Europaparlament ins Amt gehoben. Ursula von der Leyen selbst dürfte nicht erwartet haben, dass sie es nur derart knapp schaffen würde, wenn man ihre offensichtliche Erleichterung im Straßburger Plenarsaal des Parlaments am 16. Juli vorigen Jahres sich noch einmal vor Augen führt. Die Kritik, nur ein Leichtgewicht zu sein, eine Kompromisskandidatin am Ende ihrer politischen Karriere in Deutschland, die zudem auf die Stimmen rechtsautoritärer Abgeordneter aus Ungarn und Polen angewiesen und folglich ihnen in der Pflicht sei: von diesem Ballast konnte von der Leyen sich bisher nicht trennen.
Doch diese Woche hat es die 62-jährige frühere Familien, Arbeits- und Verteidigungsministerin selbst in der Hand, ihre Kritiker eines Besseren zu belehren. Denn in den beiden schwersten existenziellen Krisen der Union seit dem Eurozonendrama vor einem knappen Jahrzehnt kann von der Leyen durch persönliches Verhandlungsgeschick dazu beitragen, die Kommission auf eine Weise zu stärken, wie das seit ihrem einstigen Amtsvorgänger Jacques Delors in den 1980er-Jahren nicht mehr der Fall war.