Die eigenen vier Wände waren bisher ein hochgeschätzter Rückzugsort. Jetzt wollen viele nur noch hinaus. Was haben Philosophen über das Wohnen gedacht?
Philosophie

Wie viel Wohnen verträgt der Mensch?

Homeoffice und Ausgangssperren machen uns das traute Heim unheimlich. Zeit für Florian Rötzers „Sein und Wohnen“.

Trautes Heim, Glück allein: In diesem Jahr hat der banale Spruch einen bitteren, zynischen Beigeschmack bekommen. Wer ihn hört, verzieht das Gesicht. Bisher schätzten wir die eigene Wohnung, das eigene Haus als Rückzugsort vor den Zumutungen der Öffentlichkeit, als vertrauten Raum, wo wir zur Ruhe kommen und „wir selbst sein können“: Tür zu, Schlüssel rum, tief durchatmen. Plötzlich erweist sich die Wohnung als bedrohlich, als Gefängnis. Die einen kleben dort zwangsweise aneinander, die anderen vereinsamen in Einzelhaft. Viele ergreifen die digitale Flucht nach vorn, füllen die Leere per Webcam mit globaler Öffentlichkeit: Schaut her, so wohne ich, auf dem Sofa, am Küchentisch, im Bett. Sie stellen sich aus und bleiben doch isoliert. Wer im Homeoffice arbeitet, sieht oft keine Grenze mehr zwischen Arbeit und Freizeit – so als hinge in jeder Zimmerecke eine Überwachungskamera mit Direktverbindung zum Personalchef.

Wohnen: Wie kann ein so „ge-wohnt-es“ Phänomen so „un-heim-liche“ Facetten annehmen? Anlass genug, sich Gedanken zu machen. Der bayerische Publizist Florian Rötzer hat es in „Sein und Wohnen“ getan. Sein Buch, halb Kulturgeschichte, halb philosophischer Streifzug, ist soeben erschienen. Die Ambivalenz, stellt er fest, geht pränatal los: Der Mutterleib ist unsere sicherste Heimstatt, aber nach neun Monaten beengt uns das behagliche Gehäuse, und die Geburt wirft uns in eine wenig heimelige Welt.

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