Helmut Fallmann, Vorstand der Fabasoft AG,  sieht in der strategischen Beteiligung an jungen IT-Unternehmen eine Möglichkeit, weniger technologisches Know-how an Übersee zu verlieren.
Anzeige
Anzeige

„Wir halten die Augen für Beteiligungen offen“

Expertentalk. Gespräch mit Fabasoft-Gründer und -Vorstand Helmut Fallmann über die Schaffung kritischer Massen für die europäische Software-Industrie und darüber, warum Entrepreneurship fixer Bestandteil des Lehrplans werden sollte.

In der Digitalisierungs-Branche tummeln sich die meisten Start-ups. Für manche Gründer bedeutet ein Exit viel Geld. Was halten Sie von diesem Phänomen?

Nicht viel. Wenn junge Firmen an Käufer gehen, denen die Vision der Gründer fehlt, heißt das für die Belegschaft und generell für das Fortkommen des Unternehmens oft nichts Gutes. Vor allem in der österreichischen Start-up-Szene ist bemerkbar, dass nicht immer an einem unternehmerischen Lebenswerk gearbeitet wird. Ziel scheint eher das schnelle Hochzüchten von Ideen zu sein, die möglichst teuer verkauft werden sollen — gerne an den Bestbietenden aus Übersee.

Warum ist es so wichtig, Tech-Unternehmen hier zu behalten?

Die Digitalisierung hat mittlerweile in jede Branche Einzug gehalten. Damit wächst die Abhängigkeit von jenen Informationstechnologien, die durch große IT-Unternehmen aus den USA oder Asien dominiert werden. Zumindest ist das für digitale Konsumenten-Anwendungen der Fall und nicht mehr revidierbar. Allerdings: Im Bereich der Softwarelösungen für Business-to-Business-Anwendungen besteht in Europa noch viel Luft nach oben. Vor allem im Cloud-Geschäft sind die strengen Datenschutzbestimmungen ein europäisches Alleinstellungsmerkmal, das unermesslichen Wert hat.

Was treibt hiesige Start-ups zur Abwanderung?

Das hat strukturelle Gründe. Es besteht ein gravierendes Gefälle zwischen den USA und Europa, wenn es um die Bereitstellung von Risikokapital für Innovatoren geht, besonders in der Wachstums- und Konsolidierungsphase. Europäische Spitzenuniversitäten klagen etwa regelmäßig, dass die bei ihnen ausgebildeten Talente mit ihren Spin-offs und Start-ups schon nach wenigen Jahren Europa Richtung Übersee verlassen. Zu Hause herrschen für ihre innovativen Tech-Ideen wenig attraktive Bedingungen für Expansion und Internationalisierung.

Gibt es Ihrer Meinung nach Lösungen gegen diesen Trend?

Damit junge IT-Unternehmen auch mittel- und langfristig zum Wohlstand unserer Gesellschaft beitragen, sollten für die europäische Software-Industrie kritische Massen geschaffen werden. Das kann funktionieren, indem sich Eigentümer im Small- und Medium-Segment über Unternehmensakquisitionen strategisch beteiligen.

Geht Fabasoft solche Beteiligungen ein?

Natürlich, unser Unternehmen lebt dieses Modell bereits seit einiger Zeit vor. Wir sind laufend auf der Suche nach jungen Software-Unternehmen, die sich mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen beschäftigen, bei denen Dokumente und Akten eine große Rolle spielen.

» „Wir sind laufend auf der Suche nach jungen, nachhaltigen Software-Unternehmen im Bereich der Digitalisierung von Geschäftsprozessen.“ «

Helmut Fallmann, Vorstand der Fabasoft AG

Da können wir uns Mehrheitsbeteiligungen gut vorstellen. Voraussetzung ist, dass  eine nachhaltig positive Unternehmensentwicklung erkennbar ist. Mithilfe unseres Know-hows und unserer wirtschaftlichen Kraft sollen diese Firmen dann über sich hinauswachsen können. Ganz wichtig: Die Gründer müssen den Betrieb weiterführen wollen. Ihr unternehmerischer Ehrgeiz ist unserer Meinung nach ein Grundasset für ein gesundes Wachstum.

Hat sich die Suche bereits gelohnt?

Absolut. Die Xpublisher GmbH mit Sitz in München hat zum Beispiel alle Voraussetzungen erfüllt. Die Systemlösungen von Xpublisher sind für Fabasoft eine ideale Ergänzung des eigenen Portfolios im Bereich der Digitalisierung, Vereinfachung und Qualitätssteigerung von Geschäftsprozessen. Damit, und durch die Nutzung unserer Erfahrung und Marktkontakte, konnte Xpublisher den nächsten Entwicklungssprung mit ihren Lösungen für digitales Content-Management machen. Übrigens handelt es sich dabei bereits um unsere zweite Akquisition. Zuvor haben wir das junge Search-Technologie-Unternehmen Mindbreeze mit Wachstumskapital ausgestattet und bei der Internationalisierung begleitet. Und wir halten natürlich die Augen nach weiteren interessanten Kandidaten offen.

Abgesehen von Initiativen innerhalb des Wirtschaftssektors: Welche politischen Maßnahmen wären gegen die Abwanderung von technologischem Know-how hilfreich?

Bildung, Bildung, Bildung! Die digitale Transformation hat unsere Lehrpläne überholt, und dieses Ungleichgewicht zeigt sich in einem enormen Fachkräftemangel in der IT-Branche. Damit sich mehr Jugendliche für eine Karriere in der IT entscheiden, müssen endlich die MINT-Fächer aufgewertet werden – vom Kindergartenalter weg! Nur so kann es gelingen, dass beispielsweise ein Informatikstudium nicht vorzeitig abgebrochen wird, weil sich ein AHS-Absolvent darunter etwas komplett anderes vorgestellt hat. Und ausschließlich motivierte, gut bezahlte Lehrkräfte können die nötigen Inhalte richtig vermitteln. Eine logische Folge ist für mich ebenfalls die Stärkung des Unternehmertums, sprich einer neuen Kultur, in der Unternehmen als Motoren von Innovation und gesellschaftlichem Fortschritt gesehen werden.

Sprechen Sie von mehr Wirtschaftskunde in den Lehrplänen?

Genau. Schon in der Schule muss Entrepreneurship vermittelt werden. Was ist spannender als ein eigenes Unternehmen zu gründen und zu führen? Wir brauchen mehr als nur kreative Start-ups, wir brauchen Unternehmen, die sich ihre Anfangsbegeisterung erhalten, ihre Ideen weiterentwickeln wollen und sich über jeden neuen Kunden freuen. Nachhaltigkeit entsteht nur durch Ausdauer und Reifung. Und nachhaltige Unternehmen sind der beste Schutz gegen eine Abwanderung von Know-how in der europäischen IT-Industrie.

Zur Person

Helmut Fallmann gründete gemeinsam mit Leopold Bauernfeind 1988 den Softwarekonzern Fabasoft. Heute ist er Mitglied des Vorstandes der börsennotierten Fabasoft AG, die sich als ein führender europäischer Softwarehersteller und Cloud-Anbieter mit Sitz in Linz etabliert hat. Als Mitglied im Bundesvorstand der Industriellenvereinigung und überzeugter Europäer setzt sich Fallmann besonders für den Wirtschaftsstandort Europa ein.

Fabasoft ist unter anderem Co-Chair der EU-Arbeitsgruppe „Candidate Cloud Security Certification Scheme“, Mitglied des Entscheidungsgremiums „EU Cloud Code of Conduct“ sowie Member Official Contact der Fabasoft AG im European Telecommunications Standards Institute (ETSI).

Bildung gilt für Helmut Fallmann als Grundessenz des Fortbestands unserer Wohlstandsgesellschaft. Er engagiert sich daher als Präsident für die „Talente OÖ“ und setzt sich für die Umsetzung einer neuen Technischen Universität in Linz mit Schwerpunkt Digitalisierung ein. 

Mehr Infos unter: www.fabasoft.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.