Morgenglosse

Rom droht eine einzigartige Chance zu verpassen

Hoffentlich gefährdet diese Regierungskrise nicht sinnvolle Reformen und den zielorientierten Einsatz von EU-Geldern.

Italienische Innenpolitik ist wieder einmal herausfordernd, sogar für hartgesottene Fans kniffliger Intrigen-Stories:  Wer derzeit mit wem bricht und warum, wer zankt, flirtet und hintergeht – die Wendungen der neuesten Regierungskrise können mit der kompliziertesten Telenovela mithalten. 

Kurze Zusammenfassung für Einsteiger: Ex-Premier Matteo Renzi sprengt die Koalition. Krise. Doch zunächst passiert – nichts. Aufatmen. Plötzlich tritt Regierungschef Giuseppe Conte doch zurück  – Cliffhanger (da sind wir jetzt, es ist also wirklich ernst). Mögliches Szenario: Conte geht nur kurz, dann kommt er wieder. Immerhin hat er bereits hintereinander eine anti-europäische, rechtspopulistische Koalition und eine pro-europäische Koalition aus Linken und Populisten angeführt.

Ihm fehlt noch die Variante Zentrums-Koalition. Möglicherweise ist sogar Renzi da wieder mit an Bord. Und (oder) ein anderer Ex-Premier macht mit: Silvio Berlusconi. Der 84-jährige Zampano spielt derzeit gern die Rolle des Moderaten der Mitte. Aber es kann auch alles ganz anders werden. Viel hängt davon ab, was und wem im nun eröffneten Posten-Bazar angeboten wird.

Nero fiedelt, während Rom brennt....

Typisch italienische Zustände, ist man geneigt zu sagen. Wenn nur die Lage nicht so untypisch wäre: Draußen toben Pandemie und Wirtschaftskrise. Und ausgerechnet jetzt hätte Italien eine einzigartige Chance, mit einem 209-Milliarden-Euro-Paket aus europäischen Krediten und Zuschüssen wieder auf die Beine zu kommen. Mit dem vielen Geld könnte Rom Reformen anpacken und Projekte in die Wege leiten, um endlich dem jahrzehntelangen Teufelskreis aus Stagnation, Rezession und Exodus seiner jungen, gebildeten Bürger zu entkommen.

Somit hatte Renzi nicht unrecht, als er auf eine sinnvolle Investition der Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds pochte und tobte, weil Rom zu stolz ist, Kredite des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu beantragen. Doch interner Druck hätte wohl zu konstruktiveren Ergebnissen geführt als diese sinnlose Krise jetzt.

Denn man wird sehen, ob die kommende Regierung das Mega-Projekt Italien wirklich hart anpacken kann – und will. Oder ob es sich nicht wieder nur um eine kurzfristige Notlösungen handeln wird, während Parteien für Wahlen trainieren und entsprechend Klienten und Anhänger bedienen. Ganz im Sinne der (original englischen) Redewendung: „Nero fiedelt, während Rom brennt“.

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