Stangl: "Ich habe den Gipfel des K2 nicht erreicht"

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Das Gipfelfoto des "Skyrunners" Christian Stangl erwies sich als Fälschung. "Ich war in einem tranceartigen Zustand und dachte, oben zu sein", rechtfertigt er sich.

Wien. Der Gipfellauf auf den K2 sei „ein bisschen fad“ gewesen, hatte Christian Stangl am 13. August wissen lassen. Das war der Tag, an dem der „Skyrunner“ vom Gipfel des zweithöchsten Berges der Erde ins Basislager zurückgekehrt war. Leicht sei ihm der Aufstieg gefallen, schließlich habe er von sieben erfolglosen Versuchen zuvor das Gelände bestens gekannt.

Die Meldung vom „Gipfelsieg“ in 8611 Meter Höhe war mit großer Erleichterung aufgenommen worden, war doch wenige Tage zuvor ein Bergkamerad der Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner am K2 in den Tod gestürzt.

„Tranceartiger Zustand“

25 Tage später rückte der 44-jährige Steirer mit einer anderen Wahrheit heraus: „Ich haben den Gipfel des K2 nicht erreicht.“ Das Foto, das ursprünglich seinen Gipfelerfolg hatte belegen sollen, sei in rund 7500 Metern Höhe entstanden. Er habe diesen „Blödsinn“ nicht bewusst gemacht. Vielmehr sei er aufgrund der von ihm verwendeten Visualisierungstechniken der Überzeugung gewesen, auf dem höchsten Punkt zu stehen, von dem ihn tatsächlich aber mehr als 1000 Höhenmeter getrennt hatten. „Ich war in einem tranceartigen Zustand und dachte, oben zu sein“, rechtfertigt er sich.

Erst nach seiner Rückkehr nach Österreich habe ihn das Gefühl beschlichen, doch nicht am Gipfel des Achttausenders gestanden zu sein, der in Bergsteigerkreisen als schwierigster gilt. Er habe zwar ein GPS-Gerät mitgeführt, dieses aber nicht eingeschaltet. Daher sei nicht rekonstruierbar, welchen Punkt er für den Gipfel gehalten habe.

Der K2 wird für Stangl damit zum Schicksalsberg, auf dem er nicht nur mehrfach sein Leben aufs Spiel gesetzt, sondern auf dem der Steirer seine Glaubwürdigkeit verspielt hat. Dahingehend lässt sich auch seine Aussage deuten, das Geschehene „tut mir für mich am meisten leid“. Schließlich sei niemand zu Schaden gekommen.

Mit der Fußfessel auf den Berg?

Den Vorwurf, mit dieser Aktion dem Bergsport geschadet zu haben, wischt Stangl weg: „Alles beweisen zu müssen, ist ein Spiegel unserer Gesellschaft und beeinträchtigt die große Freiheit auf den Bergen. Das ist wie eine Fußfessel.“ Und fügt hinzu: „Da verschieben sich Prioritäten und wie du einen Gipfel erreichst, steht nur mehr an zweiter Stelle.“

Ganz freiwillig kam das Outing aber nicht: Mehrfach waren Gerüchte laut geworden, Stangl habe den Gipfel nicht erreicht. Im Basislager sei es deswegen auch zum Streit mit anderen Alpinisten gekommen. Zudem soll Stangl erpresst worden sein, Schweigegeld zu zahlen. Vorwürfe, zu denen sich Stangl nicht weiter äußern wollte.

Verdächtigungen, Gipfel nicht erreicht zu haben, musste sich zuletzt auch die Koreanerin Oh Eun Sun gefallen lassen, die behauptet, als erste Frau auf allen Achttausendern gestanden zu sein. Stangls Projekt „14 Seven Summits“, bei dem er jeweils die beiden höchsten Berge aller Kontinente „belaufen“ wollte, droht nun ein vorzeitiges Ende: Neben dem K2 fehlen ihm noch der Mount Tyree in der Antarktis. Ob er sein Projekt fortsetzt, ist noch völlig offen.

Messner: „Eine lustige Sache“

Stangl hatte das „Skyrunning“ als alternative Form des Bergsteigens erfunden und populär gemacht: Ziel ist es, ohne Versorgungsstationen, Helfer und Sauerstoffflaschen vom Tal aus den Gipfel zu erreichen und wieder ins Tal zurückzukehren. In der Bergsteigerszene wird Skyrunning mit gemischten Gefühlen betrachtet. Reinhold Messner, einer der prominentesten Kritiker meinte: Stangl sei nicht einmal eine Fußnote in der alpinen Geschichte. Die Fälschung sei aber eine „lustige Sache“.

ZUR PERSON

Christian Stangl
(* 10. Juli 1966 in Landl) arbeitete zunächst als Elektrotechniker, ehe er Profibergsteiger wurde. Er hält zahlreiche Speed-Rekorde. Den Mount Everest etwa meisterte er in 16:42 Stunden. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2010)

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