Der ganz große Zusammenbruch ist ausgeblieben

(c) APN (Matthias Rietschel)
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Die Krise im deutschen Maschinenbau ist trotz des kleinen "Wirtschaftswunders" noch lange nicht ausgebügelt. Österreichs Industrie braucht einige Zeit um den Rückgang in der Krise zu kompensieren.

Die Erfolgsmeldung kam am Montag dieser Woche: Der deutsche Maschinenbau hat angesichts der immer besseren Daten seine Prognose für heuer verdoppelt. Statt um drei wird der Produktionswert der Branche um sechs Prozent wachsen. Zu Jahresbeginn war man noch von Stagnation ausgegangen.

Ein kleines Wirtschaftswunder, wie es heuer öfter durch deutsche Statistikdaten schimmert. Das aber dringend der Relativierung bedarf: 2009, im Jahr eins nach der Lehman-Pleite samt anschließendem Fast-Zusammenbruch der Weltwirtschaft, war der Produktionswert der Branche nämlich um ein Viertel eingeknickt. Die Auftragseingänge waren sogar um 28 Prozent geschrumpft.

Der deutsche Maschinenbau wird also noch lange brauchen, bis er die Krise überwunden hat. Derzeit steht er gerade dort, wo er 2005 schon einmal war.

Und so sieht es in der von der Krise besonders schwer getroffenen Industrie überall aus. Auch in Österreich. Hier wird etwa die Metallverarbeitung trotz allen Aufschwungs erst 2014 ihr Vorkrisenniveau – also das von August 2008 – wieder erreichen. Dabei sind die Metaller die schnellsten. Die Chemieunternehmen werden voraussichtlich bis 2023 brauchen, um den Rückgang in der Krise auch nur zu kompensieren.

Der war nämlich deftig: Um 3,5 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt 2009 in Österreich geschrumpft. In vielen anderen Industriestaaten war der BIP-Rückgang noch dramatischer.

Allerdings: Hierzulande war der geradezu dramatische Einbruch der Industrie, als der Auftragseingang bei einigen Betrieben kurzzeitig einfach auf Null fiel, zum Glück ein „Ausreißer“. Das hatte besondere Gründe: Weil sich die Lohnrunden hierzulande immer am Vorjahr orientieren und die Inflation vor Ausbruch der Finanzkrise besonders hoch war, konnten sich die österreichischen Arbeitnehmer ausgerechnet im Krisenjahr 2009 über besonders hohe reale Einkommensteigerungen freuen. Die durch eine (unterdessen längst vergessene) Steuerreform noch verstärkt wurden.

Der private Konsum zeigte also kaum Krisensymptome. Der Handel merkte vom Beinahe-Zusammenbruch der Weltwirtschaft reichlich wenig. Auch der Tourismus kam mit moderaten Blessuren davon.

Das half, die ganz große Arbeitsmarktkkrise zu verhindern. Zwar stieg die Arbeitslosenrate 2009 auf für österreichische Begriffe relativ hohe Werte. Aber keineswegs so hoch, wie Arbeitsmarktexperten befürchtet hatten. Und schon gar nicht in Regionen wie in schwächeren EU-Ländern, wo, wie in Spanien, Katastrophen-Arbeitslosenraten von annähernd 20 Prozent registriert wurden und noch immer registriert werden.

Im Sommer ist die Zahl der Arbeitslosen sogar gesunken, zuletzt auf rund 271.000 Personen (einschließlich der in Schulungen „versteckten“ Arbeitssuchenden). Und das hat selbst Experten schon ein wenig erstaunt. Vor allem, dass die Zahl der Arbeitsplätze selbst schon wieder ansteigt: Die Zahl der Beschäftigten ist bereits wieder auf dem zweithöchsten jemals erreichten Stand.

Noch krasser präsentiert sich das Arbeitsmarktparadoxon in Deutschland: Dort ist die Zahl der Arbeitslosen mitten in der Krise sogar deutlich gesunken. 3,2 Millionen Deutsche suchen derzeit aktiv Arbeit. Das sind „nur“ etwa so viele wie vor der Krise. Der deutsche Arbeitsmarkt hat den Einbruch also praktisch schon wieder ausgebügelt.

Für Arbeitsmarktexperten hat das „Jobwunder“ einen einfachen Grund. Und der heißt Kurzarbeit. In Österreich und Deutschland haben Unternehmen (mit Unterstützung durch das Arbeitsmarktservice) versucht, die Krise mit Kurzarbeit zu überstehen. Aus der Überlegung heraus, dass der Einbruch nicht ewig dauern wird und ein „Durchschleppen“ wesentlich kostengünstiger ist, als beim Wiederaufschwung gut ausgebildete und im Betrieb eingearbeitete Facharbeiter nach der Kündigung „zurückzukaufen“.

Erfolgsmodell Kurzarbeit

In Österreich, so schätzt die Wirtschaftskammer, wäre die Arbeitslosenzahl ohne diese flexible Gestaltung der Arbeitszeit um 80.000 höher gewesen. Das Ganze war also ein ausgesprochenes Erfolgsmodell.

Allerdings: Ein wenig täuschen die Zahlen. Denn am Arbeitsmarkt werden „Köpfe“ gezählt. Und nicht „Vollzeitäquivalente“. Die Statistik sagt also nicht, dass es in Österreich und in Deutschland eine relativ starke Verschiebung hin zu Teilzeitjobs gegeben hat.

Und wie haben die Banken die Fast-Kernschmelze des Finanzsystems überstanden? Sie machen schon wieder nette Gewinne, sind insgesamt aber noch keineswegs aus dem Schneider. Aber: Die beherzte Hilfe, die die Staaten den Geldinstituten zukommen ließen, trägt Früchte. Und hierzulande sogar Zinsen: Österreich zählt neben der Schweiz, Frankreich und den USA zu jenen wenigen Ländern, in denen der Staat mehr zurückbekommt, als er in die Banken hineingesteckt hat, weil die Institute das bereitgestellte Partizipationskapital verzinsen und für die bereitgestellten Haftungen und Garantien Provisionen bezahlen müssen.

Die 7,5 Milliarden Euro an direktem Partizipationskapital und 28 Milliarden Euro an Garantien, die das Bankensystem stabilisierten, haben sich (obwohl Hypo Alpe Adria und ÖVAG ihr Partizipationskapital nicht „bedienen“ können) also auch für den Finanzminister ausgezahlt. Zumindest bisher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2010)

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