Vorfreude auf den Papst im Stadion von Erbil.
Reportage

Der Papst kommt zu spät, die irakischen Christen sind schon weg

Der Papstbesuch wird im Irak als historischer Tag gefeiert, doch die Zeichen stehen schlecht. Immer mehr Christen emigrieren, weil sie keine Zukunft im Irak mehr sehen. Von den 1,5 Millionen Christen sind nur mehr 250.000 übrig. Corona stoppt die Abwanderung nur vorübergehend.

Ein Fahnenmeer, Trommeln, Sprechchöre und Gesänge. Schon Stunden vor Beginn der Papstmesse am Sonntag feiern 10.000 Menschen im Fußballstadion von Erbil. Ein großer weißer Altar ist auf der Längsseite der Tartanbahn aufgebaut. An der Rückwand prangt ein großes goldenes Kreuz auf braunem Grund. Auf dem Rasen stehen Hunderte mit weißem Stoff überzogene Stühle. „Wir freuen uns unglaublich“, sagt Pfarrer Samas Naum, der mit 25 Gemeindemitgliedern aus dem 150 Kilometer entfernten Dohuk in die Hauptstadt Kurdistans angereist ist. „Wir warten schon so lange auf den Papst und nun ist unser Traum Wirklichkeit geworden“, erklärt der 68-Jährige mit einem seligen Lächeln.

Für ihn und alle anderen Gläubigen gibt es kein Halten mehr, als Papst Franziskus mit fast einstündiger Verspätung endlich im Papamobil winkend ins Stadion einfährt. Die Gläubigen stürmen an die Absperrungen, bejubeln ekstatisch das katholische Kirchenoberhaupt. Bei vielen fließen Freudentränen. Im anschließenden Gottesdienst mahnt der 84-jährige Pontifex zur Versöhnung und spricht den Christen Mut und Anerkennung aus. „Ich sehe, die Kirche im Irak ist lebendig und Jesus ist unter euch“, sagt Franziskus unter erneuten Beifallsstürmen. „Ich werde zwar nach Rom zurückkehren, aber der Irak bleibt in meinem Herzen“.

Die Messe in Erbil war die Abschlussveranstaltung einer viertägigen Papstreise in den von Kriegen und Krisen geschüttelten Irak. Es war ein historischer Besuch. Franziskus ist das erste Oberhaupt der Katholiken, der das für das Christentum so bedeutende Land besuchte. Und das auch nur, weil der 84-jährige Pontius alle Sicherheitsbedenken  zurückgewiesen hatte. Im Irak gibt es  nach wie vor terroristische Anschläge und zudem steigen die Covid-19-Infektionen. Der Papst suchte den interreligiösen Dialog, ein Herzensanliegen, wie Franziskus vor Antritt der Reise betonte. Er traf Ajatollah Sayyid Ali al-Sistani, den einflussreichsten schiitischen Geistlichen des Iraks, sowie Vertreter anderer Religionsgruppen. Aber Papst Franziskus wandte sich vor allem an die irakischen Christen. Er will sie darin bestärken, im Irak zu bleiben. Denn seit Jahren wandern immer mehr Christen ab, vorwiegend nach Europa.

Ausgerechnet dem Irak, einst Wiege christlicher Zivilisation, droht der Exodus aller Gläubigen. Kein anderes Land, außer Israel, hat so viele biblische Bezüge. Eine ganze Reihe von Propheten und Heiligen sollen dort gelebt haben. Darunter sind Jonah, Daniel, der Heilige Georg und auch Abraham, dessen Geburtsort in Ur im Südirak liegen soll. Sogar Adam und Eva und der Garten von Eden wird im Irak verortet. Jedoch droht die über zweitausend Jahre alte Geschichte der Christen zu Ende zu gehen. Der Besuch des Papstes kommt zu spät und könnte der letzte gewesen sein. Denn die christliche Gemeinde im Irak wird kleiner und kleiner. Schon bald könnte es kaum noch jemanden im Land geben, der besucht werden könnte.

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