Russland

Putins Rede an die Nation unter "Post-Covid"-Bedingungen

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Der Kreml-Chef hielt seine lang erwartete Rede an die Nation. Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Krisenlinderung standen im Zentrum. Zum Abschluss gab es ein paar Drohungen.

Es war Wladimir Putins wichtigster Auftritt vor Publikum seit langem: Im Ausstellungszentrum Manege unweit des Kremls hielt der russische Präsident am Mittwoch seine alljährliche Rede an die Nation. Offiziell heißt die Veranstaltung „Botschaft an die Föderalversammlung“. Eingeladen waren politische Entscheider des Landes, bekannte Persönlichkeiten sowie religiöse Würdenträger. Lange hatte Putin öffentliche Auftritte wegen der Corona-Pandemie gemieden. Gesprächspartner mussten erst in eine zweiwöchige Quarantäne, bevor sie vom Präsidenten empfangen wurden.

Das ist nun vorbei. Denn Putin wurde zweifach gegen Covid-19 geimpft (mit welchem Impfstoff ist noch immer nicht bekannt). Die Gäste der heutigen Versammlung benötigten aber einen negativen PCR-Test, um in die Halle eingelassen zu werden. Mit dieser gelockerten Einladungspolitik wollte die russische Führung demonstrieren, dass sich das Land bereits in einer „Post-Covid"-Ära befindet.

Eine „Überraschung“ mit Belarus?

Der Schwerpunkt der Rede lag auf der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Landes nach Ausbruch der Pandemie. Putin forderte die Russen auf, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Bisher sind in dem Land mit seinen etwa 146 Millionen Einwohnern vergleichsweise wenige Menschen immunisiert. Nach jüngsten offiziellen Angaben sind bisher mehr als fünf Prozent der Bevölkerung geschützt. Putin zufolge soll bis zum Herbst die Bevölkerung so geimpft sein, dass eine Herdenimmunität entstehe. Russland hat drei eigene Impfstoffe gegen das Coronavirus.

Gleichzeitig stellte Putin Ausländern eine schnellere, unkomplizierte Visa-Vergabe in Aussicht. "Sobald die epidemiologische Situation es erlaubt, werden wir ganz sicher noch geltende Einschränkungen aufheben, und zu uns werden wieder Millionen Touristen von allen Enden der Welt kommen", sagte er. Konkret bestehe die Aufgabe darin, Menschen in vielen Ländern "ohne überflüssige Formalitäten" innerhalb von vier Tagen ein elektronisches Visum auszustellen, sagte der Kremlchef.

Putin will das Bevölkerungswachstum ankurbeln

Putin kündigte außerdem Gesundheitsreformen und zahlreiche Sozialleistungen in großem Detail an, etwa für Jungfamilien und Alleinerziehende. 10.000 Rubel (umgerechnet 108 Euro) gebe es einmalig für alle Schulkinder und Kinder vor ihrer Einschulung, sagte er. Monatlich 5650 Rubel (61 Euro) versprach Putin pro Kind im Alter von 8 bis 16 Jahren, das lediglich von einem Elternteil aufgezogen werde. Bisher gab es staatliche Hilfe nur für jüngere Kinder. Er kündigte zudem den Bau von 1300 neuen Schulen für eine Million Kinder an.

Putin will mit zusätzlicher Unterstützung von Familien auch das Bevölkerungswachstum ankurbeln. "Die Statistik liefert uns leider enttäuschende Zahlen." Niedrige Einkommen sieht er als ein Hindernis, dass in Russland wieder mehr Kinder geboren werden. Im vergangenen Jahr war die Einwohnerzahl Russlands auch wegen vieler Todesfälle in der Corona-Pandemie um eine halbe Million auf 146,2 Millionen geschrumpft. "Wir sehen einen gewissen Rückgang", sagte Putin.

Unkonkrete Drohungen

Nur am Schluss ging er kurz auf die russische Außen- und Sicherheitspolitik ein. Der Kreml-Chef schwor, die russischen Interessen auch weiterhin gegen „unfreundliche Aktionen" verteidigen zu wollen. Russland werde seine „roten Linien“ selbst ziehen und deren Überschreitung sanktionieren. „Sollte uns jemand für schwach halten, dann sollte er wissen, dass die Antwort asymmetrisch, schnell und hart sein wird“, drohte er. Konkrete Schritte bezüglich der Ukraine oder des Westens stellte Putin keine in Aussicht.

Die Kriegsgefahr mit dem Nachbarn Ukraine ist seit dem russischen Truppenaufmarsch entlang der ukrainischen Grenze gestiegen. Auf Gesprächsangebote des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij hat der Kreml bislang nicht reagiert. Auch mit dem Westen gibt es Spannungen nach der gegenseitigen Ausweisung von Diplomaten.

Kommentatoren in den sozialen Medien hatten vor der Rede gemutmaßt, dass womöglich bezüglich Belarus eine Überraschung zu erwarten sei. Immerhin wird der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko am Donnerstag in Moskau erwartet. Schon länger gibt es die Vermutung, dass Moskau seine ökonomische oder militärische Kontrolle über Belarus ausbauen möchte. Zusätzlich angeheizt wurden diese Mutmaßungen aufgrund einer außerordentlichen Zusammenkunft des Föderationsrates am Freitag, was auf eine dringliche Beschlussfassung deuten könnte. Auch im Hinblick auf die Separatisten-Gebiete im ostukrainischen Donbass wurde gemunkelt, dass Moskau eine Anerkennung der selbsternannten „Volksrepubliken“ vorbereiten könnte.

Der seit dem Jahr 2000 amtierende Putin hatte sich erst kürzlich per Unterschrift zwei weitere Amtszeiten ermöglicht. In einem umstrittenen Referendum hatte die Mehrheit der Wähler im vergangenen Sommer die Verfassungsänderung befürwortet, die dem 68-Jährigen zwei weitere sechsjährige Amtszeiten nach dem Ende seines aktuellen Mandats im Jahr 2024 erlaubt.

Demo-Treffpunkt am Manege-Platz

Für den Abend haben Unterstützer des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny landesweit zu Protesten aufgerufen. In Moskau lautet der Treffpunkt Manege-Platz - genau dort, wo ein paar Stunden zuvor der Kreml-Chef seine Rede gehalten hat. Das ist eine kalkulierte Provokation. Es wird erwartet, dass die Sicherheitskräfte das Zentrum weiträumig absperren, um eine Sammlung der Aktivisten zu verhindern. Zudem hat der russische Machtapparat ein hartes Durchgreifen gegen die Proteste angekündigt.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch und Mitstreiterin Ljubow Sobol wurden bereits am Vormittag von der Polizei festgenommen. Seit Tagen läuft eine Festnahmewelle gegen Verbündete des Oppositionspolitikers.

Der Gesundheitszustand des Oppositionellen hat sich nach Darstellung seines Teams im Straflager zuletzt massiv verschlechtert. Der 44-Jährige war vor rund drei Wochen in einen Hungerstreik getreten.

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