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Der republikanische Bürgerkrieg zwischen Trump und Liz Cheney

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Auf seiner neuen Plattform richtet der Ex-Präsident über „Parteifreunde“. Cheney droht ein Aufstand in der Fraktion, weil sie ihm in die Parade fuhr.

Es war beinahe ruhig um ihn geworden, geradezu verdächtig ruhig. Ein wenig mehr als 100 Twitter-lose Tage hat es gebraucht, bis Donald Trump nach seinem brüsken Auszug aus dem Weißen Haus und dem Aufbruch ins Pensionistenparadies Florida eine neue Plattform und damit auch eine neue Beschäftigung fand.

Via Twitter hatte er die politische Agenda dominiert, Debatten befeuert und Ressentiments geschürt. Die großspurig angekündigte Alternative zu Twitter, das wie Facebook einen anhaltenden Bann über ihn verhängt hatte, schuf er allerdings nicht, sondern bloß einen Appendix auf seiner Homepage.

Die Kontroverse um „The Big Lie"

„Vom Schreibtisch Donald J. Trumps“ lautet die Rubrik sehr offiziös, als wäre er als Präsident noch in Amt und Würden. Die Mär vom Wahlsieg hält Trump jedenfalls auch ein halbes Jahr danach weiter aufrecht – und in Maricopa County, dem größten Wahlkreis Arizonas, setzten seine Hardcore-Anhänger eine Neuauszählung der rund zwei Millionen Stimmen durch, die gerade im Gange ist.

„The Big Lie“ – die „große Lüge“ – lautet der Slogan der Kampagne für eine historische „Wiedergutmachung“ der angeblich „gestohlenen“ Wahl, die die Partei in Trumpisten und „Never-Trumper“ teilt – im Verhältnis von circa 70 zu 30. Mehr als zwei Drittel der Mitglieder der Grand Old Party (GOP) halten daran fest, dass es bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen und Joe Biden nicht der legitime Präsident sei.

Mitt Romney, der „Rino"

Seinen Twitter-Ersatz hat der einstige Twitter-König mit einer Gefolgschaft von fast 90 Millionen Menschen zu einem Scherbengericht umfunktioniert – weniger über Biden und seine Regierung, sondern in erster Linie über die eigene Partei. Daumen hinauf, Daumen hinunter: In der Manier eines römischen Kaisers richtet er über die Republikaner und seine Lieblingsfeinde, quasi die „Verräter“ in den eigenen Reihen. Mit Häme wettert er gegen Vertreter des Establishments.

So ist Mitt Romney für ihn nichts weiter als ein „lausiger Verlierer“ und ein „Rino“ (Republican in name only) – ein Pseudo-Republikaner, was im Englischen wie die Abkürzung für Rhinocerus klingt. Zwei Mal hatte der Senator aus Utah beim Votum über ein Impeachment gegen Trump gestimmt.

„Hurensohn“ McConnell

Bei seiner Rede vor rund 2000 Delegierten im Mormonenstaat quittierten dies die eingefleischten Trump-Fans neulich mit einem gellenden Buhkonzert. Dass Romneys Vater republikanischer Gouverneur in Michigan war, er selbst Gouverneur in Massachusetts und 2012 Präsidentschaftskandidat – all das zählte nichts. Fast die Hälfte sprach sich für eine formelle Rüge für Romney aus.

Zu Trumps Intimfeinden zählt auch Mitch McConnell, der republikanische Senatsführer, der den Präsidenten nach dem Sturm der radikalen Anhänger aufs Kapitol besonders scharf kritisiert hat. Trump bedachte ihn mit dem Schimpfwort „Hurensohn“ und tritt offen für seine Abwahl ein.

Lug und Trug

Vor allem die Abgeordnete Liz Cheney traf indessen zuletzt der Bannstrahl des Trump'schen Zorns. Die Tochter Dick Cheneys, des früheren Vizepräsidenten, und selbst eine hartgesottene Republikanerin, muss sich den Vorwurf Trumps gefallen lassen, eine Kriegstreiberin zu sein. Sie fuhr ihm neulich in die Parade: Das Schlagwort von der „Big Lie“ sei nur Lug und Trug.

Beistand bekam sie nicht zufällig von der republikanischen Senatorin Susan Collins, einer Moderaten. Wie die Senatoren Romney und Collins, wie neun weitere Abgeordnete im Repräsentantenhaus, hatte Cheney im Jänner für eine Amtsenthebung votiert. Im Februar wehrte die republikanische Führung einen Aufstand der Basis in der zweiten Parlamentskammer noch ab.

„Ich bin fertig mit ihr"

Aber jetzt scheint die Geduld Kevin McCarthys, des republikanischen Minderheitsführers im Repräsentantenhaus, mit seiner nominellen Nummer drei in der Hierarchie erschöpft. „Ich bin fertig mit ihr“, soll er gesagt haben. Er will mit einer geschlossenen Fraktion in die Kongresswahl im November 2022 ziehen und so die Chance wahren, die Mehrheitsverhältnisse im Kongress zu kippen. Für kommende Woche steht eine Abwahl Cheneys von ihrer Führungsfunktion auf der Tagesordnung, und Trump macht auf seiner Homepage bereits Stimmung. Der „Fist Bump“ mit Biden im Kongress kürzlich dürfte den Riss nur noch verstärkt haben.

Für die Position bringt sich die loyale Trump-Verfechterin Elise Stefanik in Stellung. Zugleich steigt der Kurs für eine weitere Trump-Verbündete: Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota, läuft sich für den Präsidentschaftswahlkampf 2024 warm. Liz Cheney gibt indes nicht auf. Finanziell gut ausgestattet kämpft sie im republikanischen Bürgerkrieg um ihre Wiederwahl in Wyoming und die wahren Werte der GOP.

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