Ausstellung

Schallaburg: Einfach nur weg

Ums Aufbrechen geht es in der Ausstellung „Sehnsucht Ferne" auf der Schallaburg.

Die Worte verstand ich nicht; aber die Zeichen ließen mir keinen Zweifel, denn sie bewegten die Zahnkiefer, als hätten sie den Mund schon voll von meinem Fleische.“ Ida Pfeiffer, erste österreichische Reiseschriftstellerin des Biedermeiers, erkundete auf ihren Expeditionen Gegenden, die bis dahin selbst die tapfersten Männer gemieden hatten. Bei einer Indonesien-Reise traf sie auf damals sogenannte Kannibalen. In ihren Reisetagebüchern („Eine Frauenfahrt um die Welt“, 1850, „Meine zweite Weltreise“, 1856) schildert sie ihre Erlebnisse – die Bücher wurden zu Bestsellern beim Bildungsbürgertum. Dem Appetit der indonesischen Ureinwohner entkam sie übrigens mit Humor. Sie war auf die Situation vorbereitet und hatte sich ein paar Sätze in deren Sprache zurechtgelegt.

„Ihr werdet eine Frau nicht tödten und auffressen, am wenigsten eine so alte wie mich, deren Fleisch schon hart und zähe ist.“ Einige der Mitbringsel, die Ida Pfeiffer auf ihren Reisen gesammelt hat, sind in der Ausstellung „Sehnsucht Ferne“ zu sehen. Dazu gibt es einen Überblick über ihr Wirken. Warum brechen Menschen überhaupt auf? Um die großen Gefühle und Motive des Reisens geht es in „Sehnsucht Ferne“, der Jahresaustellung auf der Schal­laburg. „Die Grundidee war: Wir wollten einen Blick auf das Aufbrechen der Menschen in den letzten 500 Jahren werfen“, sagt Marcel Chahrour, einer der Kuratoren. „Wir erzählen keine komplette Geschichte der Ent­deckungsreisen und auch keine Geschichte des Kolonialismus, sondern zeigen, wie vielfätig die Motive des ­Aufbrechens sind.“

KLAUS PICHLER

Mutige Pionierinnen

Im ersten Teil der Schau geht es um romantische Bilder des Reisens: Um die Faszination, die die Reisen von Alexander Humboldt, Johann Natterer (Brasilien), Ignaz Knoblechner (Nil), aber eben auch von Ida Pfeiffer oder der Französin Alexandra David-Néel ausübten. Reisende Frauen waren damals noch eine Seltenheit, Alexandra David-Néel verkleidete sich als Bettelmönch, um in die tibetische Hauptstadt Lhasa zu gelangen. Als erste Europäerin überhaupt. Der französische Zeichner Frédéric Campoy machte die Pionierin zur Heldin einer mehrteiligen Comicserie („Une vie avec Alexandra David-Néel“).

Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich den Schattenseiten des Aufbrechens. Geht es heute um den ökologischen Fußabdruck bzw. das Phänomen des Overtourism, waren damals der Kolonialismus, die Gier nach Rohstoffen und die Zerstörung und Ausbeutung indigener Kulturen die Kehrseite der Reise- und Expeditionslust. „Kolumbus und die Conquistadoren werden im lateinamerikanischen Raum eher als Bösewichte gesehen, nicht als großer Entdecker wie bei uns“, sagt Chahrour. „90 Prozent der Einwohner sind durch Krankheiten gestorben, die die Europäer eingeschleppt haben. Oder durch Kriege, die sie verursacht haben“, so der Kurator.

KLAUS PICHLER

Auch Johann Adam Georg Forster, der schon als 18-Jähriger den britischen Kapitän James Cook auf dessen zweiter Reise begleitet hat, war vom positiven Wirken dieser Expeditionen nicht überzeugt. „Ich bin der Meinung, dass gerade jene Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns ferngehalten und unseren Seeleuten nie erlaubt haben, allzu vertraut mit ihnen zu werden“, schreibt er 1780 in sein Notizbuch. Er hatte miterlebt, wie das Aufeinandertreffen von Südsee-Bewohnern und Seeleuten zu Tod, Leid und allerlei moralisch verfänglichen Situationen führte. James Cook brachte jedenfalls zahlreiche Mitbringsel von seinen Reisen mit: Schmuck in Vogelform, Angelhaken aus Walknochen, eine Fußkette aus Hundeknochen und vieles mehr. Das Weltmuseum Wien verfügt über einen bedeutenden Bestand an Objekten von den Reisen James Cooks und hat vieles für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. „Das Weltmuseum Wien war ein wichtiger Leihgeber für uns. Außerdem haben das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum Objekte zur Verfügung gestellt“, so Chahrour. Doch auch Exponate aus Frankreich, Deutschland, Slowenien oder Kroatien sind dabei. Etwa das originale Reisetagebuch von Alexander Humboldt aus dem neuen Humboldt Forum in Berlin.

Ist Inszenierung alles?

Wie geht es mit dem Reisen nach Corona weiter? Dem zeitgenössischen Reisen haben die Ausstellungsmacher drei Räume gewidmet. Ein Text von Ilja Trojanow soll zum Nachdenken anregen, ein Selfie-Diorama wirft die Frage auf, ob es überhaupt noch nötig ist zu reisen, wenn wir uns auch so inszenieren können, und im dritten Raum werden die Besucher nach ihren persönlichen Reisemotiven gefragt. Etwa: Reisen Sie, um zu träumen oder um zu wissen? Marcel Chahrour träumt jedenfalls davon, wieder ans Meer zu fahren. „Wir sollten uns alle bewusst sein, dass die erzwungene Pause durch Corona eine Chance ist, über unser Reiseverhalten nachzudenken. Reisen ist in den letzten 15 Jahren zum Konsumgut geworden. Vielleicht wird es wieder etwas Besonderes.“

Die Ausstellung

„Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten“. Die Ausstellung auf der Schallaburg ist ab 3. Mai zu sehen. Siehe www.schallaburg.at

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