Die rot-blaue Option in der Steiermark wird zur Nagelprobe für das "Nein" der Bundes-SPÖ zur FPÖ. Daneben gibt es neue Probleme in der SPÖ um die Position zur Integration, von denen die Freiheitliche profitieren.
Wien. Die Suche nach einer Mehrheit infolge der Steiermark-Wahl entwickelt sich zu einem Belastungstest für die Bundes-SPÖ im Umgang mit der FPÖ. Denn seit dem SPÖ-Bundesparteitag vom November 2004 gibt es einen nach wie vor aufrechten Beschluss, dass es „keine Koalition mit einer rechtspopulistischen FPÖ" geben darf. Auch die SPÖ-Bundesparteispitze unter Werner Faymann hat seit dessen Amtsantritt im August 2008 immer wieder das Nein zu einer Koalition mit den Freiheitlichen bekräftigt. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) schließt hingegen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, mit der die SPÖ sowohl im Landtag als auch in der Landesregierung eine Mehrheit hätte, nicht aus.
Vorläufiges Ergebnis
Nur "Arbeitsübereinkommen" mit FPÖ?
Die Sozialdemokraten sind alles andere als glücklich mit der Situation, im Fall, dass es keine neuerliche Zusammenarbeit mit der ÖVP in der Steiermark gibt, ausgerechnet auf die FPÖ mit ihrem besonders weit rechts stehenden Obmann Gerhard Kurzmann angewiesen zu sein. Die Bundes-SPÖ in Wien ist nun bemüht, die Problematik herunterzuspielen. Von Bundeskanzler Werner Faymann über SPÖ-Klubobmann Josef Cap abwärts wird diese Frage nun als eine Entscheidung auf Landesebene bezeichnet, in die sich die Bundespartei zumindest offiziell nicht einmischt.
Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Verteidigungsminister Norbert Darabos scherte allerdings aus. Er sagte ganz offen, dass für ihn eine rot-blaue Koalition in der Steiermark „nicht vorstellbar" sei. Vorerst wird auf Zeit gesetzt, und die SPÖ baut vor allem darauf, dass die Steirer-ÖVP als zweitstärkste Kraft im Land letztlich doch wieder in eine rot-schwarze Kooperation mit Voves als Landeshauptmann einwilligt. Salzburgs rote Landeschefin Gabi Burgstaller appelliert ganz offen an die ÖVP, sich einer Zusammenarbeit nicht zu verweigern.
Auch Voves selbst versucht, die Bedeutung einer etwaigen rot-blauen Übereinkunft herabzustufen. Es würde sich in diesem Fall um keine offizielle Koalition, sondern um ein Arbeitsübereinkommen handeln, so die Sprachregelung des steirischen SPÖ-Chefs. Und die Warnungen aus Wien dazu? „Ja, die interessieren mich unglaublich", sagte Voves nach einer Sitzung der SPÖ-Funktionäre.
Die FPÖ hielt sich am Montag mit öffentlichen Äußerungen zurück: „Der Ball liegt bei der SPÖ", sagte Generalsekretär Herbert Kickl. Allerdings verweisen auch die Freiheitlichen auf ihre Landesorganisation. Das sei eine Sache der Landespartei, so Kickl. Man werde sich zu gegebener Zeit mit den steirischen Freiheitlichen abstimmen.
Vor Wien-Wahl passiert nichts
Große Eile ist da nicht angesagt, denn vor der Wiener Wahl am 10. Oktober wird in der Steiermark nicht mit einer Entscheidung in den Parteienverhandlungen gerechnet. Die nun voll entflammte Debatte um Rot-Blau kommt aber auch so vor allem dem Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl im Wahlkampf in die Quere. Schließlich ist für Häupl in Wien FPÖ-Bundesobmann Heinz-Christian Strache der erklärte Gegner. Häupl hat deswegen noch am Sonntag Voves am deutlichsten vor Rot-Blau gewarnt.
Allerdings tut sich die SPÖ nicht nur in Sachen Koalition mit der FPÖ schwer, sondern auch im Umgang mit dem Thema der Ausländerintegration. Dabei kämpft die SPÖ damit, dass ihr die FPÖ in ihrer früheren Stammklientel in der Arbeiterschaft und im Gemeindebau mit der scharfen Linie gegen Zuwanderung und „Islamisierung" die Wähler abspenstig macht.
Landesparteichef Franz Voves hat noch am Wahlabend erklärt, man müsse "in der Zuwandererfrage jetzt wirklich mehr auf die Bürger hören". Auch die ausländische Bevölkerung werde sich an Grundregeln halten müssen. Diese Forderung nach einem Rechtsruck in der Ausländerpolitik ist in der SPÖ nicht neu - und wird meist nach verlorenen Wahlen erhoben. So gab es im Vorjahr ähnliche Aussagen nach den Landtagswahlen in Vorarlberg und Oberösterreich. In der SPÖ ist Norbert Darabos damit beauftragt, im Rahmen der Programmdiskussion "Österreich 2020" ein längerfristiges Integrationskonzept zu erarbeiten. Ein rascher Kurswechsel ist aber zumindest aus dieser Ecke nicht zu erwarten.
Die von Darabos geleitete Arbeitsgruppe hat den Auftrag, bis zum Ende der Legislaturperiode, also bis 2013, ein Ergebnis vorzulegen. Und da es sich um ein sensibles Thema handle, wolle man sich nicht unter Druck setzen lassen, heißt es aus dem Ministerbüro. Bekannt sind bisher nur die Leitlinien für das Integrationskonzept, die vom Prinzip „Integration vor Neuzuwanderung" ausgehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. September 2010)