Geschmacksfrage: Immervolls Postschänke

Ein Ausflug ins neue Immervoll im Wienerwald und ins alte in der Wiener Innenstadt. Wir bestellen sogar das Gleiche.

(c) Julia Stix

INFO

Dass ein Lokal Koch und Namen zugleich verliert, kommt nicht häufig vor. Doch beim Immervoll in Wien ist es passiert. Nachdem das Haus im Frühling mehrere Wochen zusperren musste, weil das schöne Haus nicht mehr als sicher galt, wurde es Sigi Immervoll offenbar zu viel. Der Koch, der das Beisl mit einer lässig-unauffälligen Küche in die Klassikerliga gekocht hat, schaute schon immer betrübt aus seiner Küche. Nun reichte es ihm, er verließ Eigentümer Hanno Pöschl. Dort, wo der Wienerwald auf den Speckgürtel trifft, fand er die Postschänke, Inbegriff eines Ausflugslokal. Er renovierte, entfernte ein paar Kitschelemente und eröffnete unter seinem Namen. Sonntagmittag steht er nicht zwingend in der Küche, was wir ihm herzlich gönnen.

Die Speisekarte entpuppt sich als exakte Weiterführung des alten Innenstadtprogramms. Doch während die fast schon lakonische Speisekarte „Rindsgulasch, klein, groß“ gut zu den sehr beschäftigten City-Gästen passt, erwarten sich die Damen und Herren hier offenbar mehr, wie an den Nebentischen zu hören ist. Wozu hat man denn schließlich das Auto geputzt? Leider überzeugt die Küche nicht zu 100 Prozent, Lässigkeit kann man leicht übertreiben. Die Schnitzelpanier wirft riesige Blasen und fällt bei Berührung vom Fleisch. Das Osso Bucco schmeckt da viel besser, wenn man Kapern mag. Das gute Kalbsbutterschnitzel wird in einem schönen Bratlsaft serviert, der definitiv Geschmacksverstärker abbekommen hat. Noch Stunden später muss ich literweise Wasser trinken. Und die Portionsgröße der gebackenen Steinpilze fällt sogar mir auf, das müssen kleine Innenstadtportionen sein.

Nein, das stimmt so nicht. Ein paar Tage später liegt im Ex-Immervoll auf dem Teller die doppelte Menge des gleichen Gerichts. Das Beisl heißt jetzt nach dem Chef Gasthaus Pöschl, und das Wiener Faktotum steht manchmal tatsächlich in der Küche, Kochbuchautorin Andrea Karrer hilft ihm: Das bedeutet – neben einer ähnlichen Karte wie früher – etwa zwei gute, schräge Gerichte. Einmal ein Beuscherl, das die beiden recht dick schneiden, mit viel Karotte und wenig Säure zubereiten: interessant und gut. Der Waller wurde mit Wurzelgemüse gesotten und wird im Topf serviert – sehr pur und doch originell. Dann Zwetschkenfleck, und immer aufessen, der Wirt könnte es persönlich nehmen …

Immervolls Postschänke, Sulz im Wienerwald, Hauptstraße 51, Tel. 02238/8135
Gasthaus Pöschl, Wien 1, Weihburggasse 17, Tel. 01-5135288

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