Roma-Abschiebung: Frankreich fühlt sich freigesprochen

Paris sieht im abgemilderten Verfahren der EU-Kommission zur Roma-Abschiebung eine Bestätigung der eigenen Linie.

pARIS. Auf den ersten Blick sah es nach einem Ultimatum aus. Die französische Staatsführung bekommt im Streit um die Roma-Abschiebung eine letzte Frist von Brüssel, um bis zum 15. Oktober die EU-Richtlinien über die Personenfreizügigkeit in die nationale Gesetzgebung umzusetzen. Andernfalls droht die EU-Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Einen Tag danach zeigte sich die Pariser Regierung trotz dieses ungewohnt strengen Tonfalls aus Brüssel erleichtert. Auf eine viel peinlichere Prozedur wegen Diskriminierung hatte die Kommission nach langer Debatte verzichtet.

Die Kommission folgte in diesen Punkt nicht ihrer Vizepräsidentin Viviane Reding. Für sie bleibt „eine Anklage wegen Diskriminierung möglich: Wir haben die politischen Zusicherungen und die Garantie von höchster Ebene erhalten, dass es keine Diskriminierung gab. Aber wir haben gewisse Zweifel, die noch ausgeräumt werden müssen“. Die restlichen Kommissare wollten offensichtlich nicht mit der erstmaligen Anklage eines Mitgliedstaats wegen Verletzung der Grundrechte vor dem Europäischen Gerichtshof eine Kraftprobe riskieren.

Gegenteil einer Rüge

Für den Pariser Immigrationsminister Eric Besson ist der Konflikt somit für die französische Regierung glimpflich ausgegangen. „Das ist bei weitem keine Rüge, sondern eher das Gegenteil“, erklärte er vor dem Parlament anlässlich der Debatte über ein neues Immigrationsgesetz, das nach Meinung zahlreicher Experten in mehreren Punkten (wie z.B. die Aberkennung der Staatsbürgerschaft) erneut im Widerspruch zum EU-Recht stehen soll. Frankreich könne „erhobenen Hauptes“ aus dem Streit mit der Kommission hervorgehen, analysierte Besson.

Etwas weniger triumphierend erklärte das Außenministerium: „Die EU habe zur Kenntnis genommen, dass die Diskriminierung einer spezifischen Minderheit weder das Ziel noch die Folge dieser ergriffenen Maßnahmen war.“ Selbstverständlich werde Paris, wie dies Präsident Nicolas Sarkozy schon angekündigt habe, alle gewünschten Informationen liefern. Keinen „Persilschein“ hat die Regierung nach Ansicht der oppositionellen Sozialisten erhalten. Deren Sprecher, Harlem Désir, hofft, dass die Regierung nach den Ermahnungen von der UNO, vom Europarat und der EU „nun endlich zur Vernunft“ komme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2010)

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