"Rote Linien"

Pilnacek-Chats: SPÖ und Neos sehen grüne Ministerin gefordert

 Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
Justizministerin Alma Zadic (Grüne)APA/HELMUT FOHRINGER
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Für die SPÖ sind „sämtliche rote Linien“ überschritten. Die Neos appellieren an Alma Zadić, die Justiz „aus dem Würgegriff der ÖVP“ zu befreien. Die Justizministerin mahnt von allen Spitzenbeamten Respekt vor den rechtsstaatlichen Institutionen ein.

Die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS sehen angesichts der jüngst medial bekannt gewordenen Chats des suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek die Grünen in der Pflicht. An ihnen liege es jetzt, entschieden zu handeln und den Rechtsstaat vor dem Zugriff der ÖVP zu schützen, appellierten SPÖ und NEOS. Justizministern Alma Zadić (Grüne) müsse tätig werden und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit mehr Ressourcen ausstatten.

Zadić wiederum mahnte am Mittwoch Respekt vor rechtsstaatlichen Institutionen ein und meinte in Richtung Pilnacek, ohne diesen namentlich zu nennen, dass sie sich von Spitzenbeamten der Justiz erwarte, "dass sie allen Institutionen des Rechtsstaats und insbesondere dem Verfassungsgerichtshof den gebührenden und gebotenen Respekt entgegenbringen", so die Justizministerin in einer Stellungnahme.

Aufgabe von Beamten sei es, "dem Rechtsstaat und den Menschen in Österreich zu dienen". Zudem müssten Justizvertreter wachsam gegenüber jeder Form von Diskriminierung, Herabwürdigung und Ausgrenzung sein. "Wer rassistische und frauenfeindliche Ansichten vertritt, wer andere Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts herabwürdigt, beschädigt das Ansehen der unabhängigen Justiz und damit das Vertrauen der Menschen in diese wichtige Säule der Demokratie", so Zadić in Anspielung auf einen Chat Pilnaceks, indem er sich abfällig über Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) äußert.

Pilnacek, gegen den wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt wird, hatte zudem die WKStA unter anderem als "missraten" bezeichnet sowie den VfGH für dessen Entscheidungen zur Sterbehilfe und zum Kopftuchverbot an Volksschulen kritisiert, wie Chatnachrichten auf seinem beschlagnahmten Handy zu entnehmen ist.

Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sind mittlerweile "sämtliche rote Linien" überschritten. Zadić bzw. die Grünen müssten sich "mit aller Kraft hinter die Korruptionsjäger" stellen. Die Chatnachrichten Pilnaceks machten sprachlos, so Deutsch. Der "türkise Sumpf" reiche bis ins Justizsystem und müsse "schonungslos" trockengelegt werden. "Wer nach diesen unfassbaren Enthüllungen schweigt, stimmt zu", so Deutsch in Richtung Grüne. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach bei einer Pressekonferenz von einem "schockierenden Bild", das die Nachrichten des ÖVP-nahen Spitzenbeamten lieferten. Sie reihten sich ein in "ein Bild des Drucks und der Einschüchterung der Justiz" durch die ÖVP.

Ähnlich auch die NEOS: Es reiche nicht, "die Korruptionsermittler in schönen Sonntagsreden zu verteidigen", so Justizsprecher Johannes Margreiter. Zadić müsse tätig werden und der WKStA mehr Ressourcen zur Verfügung stellen und für eine unabhängige Weisungsspitze sorgen. "Die Justiz muss aus dem Würgegriff der ÖVP befreit werden", meint Margreiter.

Grüne Justizsprecherin: „Erschreckendes Sittenbild"

Die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer, wiederum ortet in den Aussagen Pilnaceks "ein erschreckendes Sittenbild" und "zweifelhaftes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit". Der "mangelnde Respekt" des Spitzenbeamten vor den Institutionen sei "äußerst bedenklich".

Eine Neuaufrollung aller Verfahren, an denen Pilnacek und sein Chatpartner, der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) beteiligt waren, fordert der freiheitliche Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker: "Es ist davon auszugehen, dass die beiden seit eh und je so gefuhrwerkt haben." Darüber hinaus kritisierte Hafenecker auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen: "Hat er sich etwa schon damit abgefunden, dass die ÖVP so ist, wie man in den erschütternden Chatverläufen nachlesen kann?"

Kritik kam von Zadic auch zu den wiederholten Angriffen des türkisen Koalitionspartners auf die WKStA. "Wer mit Angriffen auf den Rechtsstaat politisches Kleingeld wechselt, hat nichts verstanden." Sie werde Kampagnen und Einschüchterungsversuche gegen die Justiz und ihre Mitarbeiter nicht zulassen, so Zadić.

(APA/Red.)

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