Jelinek in Hamburg: Corona-Diskurs mit vielen Schweinen

Das Schauspielhaus eröffnete mit „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“.

Mit der Uraufführung von Elfriede Jelineks „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“ wurde das Deutsche Schauspielhaus Hamburg am Samstagabend nach langer Coronapause wiedereröffnet. Es sei kein Coronastück, denn Jelinek habe es „lang vorher geschrieben“, hat kürzlich Burgtheater-Direktor Martin Kušej gesagt, der den Text zur Saisoneröffnung im Akademietheater von Frank Castorf inszenieren lässt. Das stimmt offenbar nicht: Ab der zweiten von 83 Manuskriptseiten geht es um die Pandemie, um Masken, Medien und Mythen. Jelinek verschneidet das hedonistische Treiben „in der Arschloch-Bar in den Alpen“ mit dem Stranden des Odysseus auf der Insel der Zauberin Kirke, die seine Gefährten in Schweine verwandelt.

Wie von Jelinek gewohnt, ist „Lärm“ ein langer, aber nicht auf Figuren verteilter Text. Die Hamburger Schauspielhaus-Chefin Karin Beier beginnt ihre deftige Inszenierung mit einem Stimmengewirr, in dem man etwa Aufnahmen von Kurz und Merkel hört, aber auch „Kurz muss weg“-Sprechchöre. Auf der Bühne sieht man eine Alpen-Disco, offenbar dem Kitzloch in Ischgl nachempfunden, wie Wolfgang Huber-Lang (APA) berichtet.

Die Bar verwandelt sich in ein Schlachthaus, auf Monitoren sieht man Politiker- und Katastrophen-Bilder, später Schlachtszenen. Aus Amazon-Boxen werden Mini-Salamis ins Publikum geworfen, auf der Bühne werden Sexpuppen ausgiebig verwendet. Den Abschluss macht ein langer Monolog, der mit den Worten endet: „Ich gebe es ja zu: Heidegger hat eine gewisse Teilschuld, mehr aber nicht.“ Langer, zwischen Erleichterung und Ermattung schwankender Applaus. (APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2021)

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