MÁV Cargo: Der ungarische (Alb-)Traum der ÖBB

(c) AP (Bela Szandelszky)
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Die ungarische Güterbahn MÁV Cargo sollte den ÖBB Vorteile bringen. Mit dem Geschäft sollte die ÖBB in die europäische Liga aufsteigen. Bisher hat die Akquisition aber nur Verluste und Imageprobleme beschert.

Wien. Der 2. Jänner 2008 war für den ehemaligen ÖBB-Güterverkehrsvorstand Gustav Poschalko ein freudiger Tag. Damals unterzeichnete er den Kaufvertrag für die Güterverkehrssparte der ungarischen Staatsbahn – die MÁV Cargo. Mit dem 400 Millionen Euro schweren Geschäft sollten die ÖBB in die europäische Liga im Güterverkehrsgeschäft aufsteigen, auf Augenhöhe mit Branchengrößen wie der Deutschen Bahn oder der französischen SNCF.

Hausdurchsuchungen bei ÖBB

Der 4.Oktober 2010 war für Gustav Poschalko kein freudiger Tag. Vorgestern durchsuchte die Staatsanwaltschaft Wien sein Büro bei den ÖBB (er ist noch als Konsulent tätig) wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen rund um den Zukauf in Ungarn, wie in einem Teil der Dienstagsausgabe berichtet. Und auch bei der MÁV Cargo – inzwischen unbenannt in Rail Cargo Hungaria (RCH) – sieht die Welt nicht rosig aus. Mitte Oktober soll dem ÖBB-Aufsichtsrat ein Sanierungskonzept für die seit der Krise angeschlagene Güterbahn vorgelegt werden.

Laut ÖBB-Chef Christian Kern droht eine „Redimensionierung auf maximal die Hälfte“. Ungarns Gewerkschaften drohen für diesen Fall schon mit Streiks. Am Dienstag wurden laut „Wirtschaftsblatt“ bereits 460 der insgesamt 3200 Mitarbeiter der Rail Cargo Hungaria zur Kündigung angemeldet. Dabei handelt es sich laut Kern um einen ersten Schritt: Weitere Schritte würden von den Verhandlungen mit der ungarischen Regierung abhängen.

Die bislang größte Akquisition der heimischen Staatsbahn stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Schon kurz nach Vertragsunterzeichnung wurde erste Kritik am Kaufpreis laut. Dieser sei mit 400 Millionen Euro überhöht gewesen. So hatte der damalige ungarische Verkehrsminister Janos Koka die MÁV Cargo selbst nur auf 240 Millionen Euro taxiert. Inklusive der inzwischen getätigten Investitionen hat der Kauf die ÖBB inzwischen rund 700 Millionen Euro gekostet.

Auch die Qualität des Gekauften sorgte für Kritik. So sollen gut 3000 der 13.000 Waggons „schrottreif“ gewesen sein. Und die Waggonfabrik im ungarischen Miskolc soll aufgrund mangelnder Auslastung ein zusätzlicher Klotz am Bein der ÖBB geworden sein.

Und zu guter Letzt gibt es seit dem Frühjahr 2008 den Verdacht der Korruption. So beschäftigten die ÖBB im Rahmen der Verkaufsverhandlungen die winzige und zuvor auch in Ungarn nahezu unbekannte PR-Firma Geuronet. Diese erhielt 7,1 Mio. Euro für „Beratungen“. Wofür genau, ist unklar.

Die ungarische Staatsanwaltschaft äußerte den Verdacht, dass der damalige ungarische Staatssekretär im Verkehrsministerium bestochen worden sei. Zumindest habe Geuronet sich mehrmals mit ihm getroffen. Das geht aus dem Rechtshilfeansuchen aus Budapest hervor, auf dessen Grundlage die Hausdurchsuchungen stattfanden.

Aktivität nach fast drei Jahren

Ob die plötzliche Aktivität der ungarischen Behörden auf erhärtete Verdachtsmomente, den Regierungswechsel im Sommer oder den jüngsten Streit Ungarns mit den ÖBB über Schienenmauten zurückzuführen ist, bleibt offen. Klar ist, dass der Fall nun noch einmal genau geprüft wird – auch intern von den ÖBB, wie Kern am Montagabend mitteilte. Bisherige Prüfungen, etwa durch Ungarns Rechnungshof, brachten zwar viel Kritik, aber keine Hinweise auf strafrechtlich relevante Aktivitäten. Klar ist aber auch, dass der Traum Poschalkos von Ungarn als „Brückenkopf für die Expansion nach Südosteuropa“ geplatzt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2010)

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