Umgestaltung

Wien Neubau: Ein Bächlein für viel heißen Stein

Wasserdüsen speisen den "Zollerbach".
Wasserdüsen speisen den "Zollerbach".Caio Kauffmann
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Mit der Zollergasse wurde ein weiterer Straßenzug im siebenten Bezirk „klimafit“ umgestaltet. Das Modell soll Schule machen – und sorgt doch für Häme.

Was ein Bach ist bzw. ab wann ein dünes Rinnsal diesen Namen verdient, da gehen die Ansichten zwischen Stadt und Dorf ja auseinander. Aber weil die Hitze mürbe, der Sommer in der heißen Stadt bescheiden macht, wird auch ein kleines Rinnsal ein Grund für große Feiern.

Und so wurde in der Zollergasse für den Mittwoch eine Bühne aufgestellt, zur Eröffnung der Gasse kamen Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) und Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne), um gemeinsam ein Band aus grünem Blätterwerk zu durchtrennen und den neuen Zollerbach, das Rinnsal auf Pflaster, zu feiern.

Unter anderem. Mit der Zollergasse ist die nächste umgestaltete Gasse fertig, „klimafit“ soll sie sein. Und damit wurde in einer Gasse im Siebenten mehr das alte Straßenmodell Gehsteig-Parkspur-Fahrbahn-Parkspur-Gehsteig und der dunkle Asphalt aufgebrochen, die Neugestaltung entspricht dem, was man aus der Ziegler- oder Neubaugasse kennt: niveaugleiches, helles Pflaster (von der Ecke Mariahilfer Straße bis Lindengasse), Begegnungszone (von der Ecke Lindengasse bis zur Post, damit bleiben die Zufahrt zur Garage, Halte- und Lademöglichkeiten erhalten), in Richtung Mariahilfer Straße ist nun eine weitere Begegnungszone.

XL-Bäume, versorgt mit Wasser aus der „Schwammstadt“ 

Der Boden wurde teils entsiegelt, Beete wurden bepflanzt, es gibt diverse Sitzgelegenheiten (neben vielen Schanigärten), begrünte Pergolen, keine Stellplätze mehr für Autos, die im Sommer ihre Umgebung heizen, im Herbst – sie können erst verpflanzt werden, wenn der saisonale Stoffwechsel abgeschlossen ist – sollen acht „XL“-Bäume kommen. Es werden Zelkoven sein, und diese Pflanzungen werden eine Premiere: In der Zollergasse werden gleich große, in dem Fall rund 25 Jahre alte Bäume eingepflanzt, um nicht, wie in der Neubaugasse etwa, jahrelang warten zu müssen, bis die Kronen groß genug sind, kühle Schatten zu werfen.

Überhaupt ist Kühlung das Thema der Stunde: Wasserdüsen und Trinkbrunnen sollen ebenso dazu beitragen wie die Bäume. Und hier hat auch das Bächlein seine Funktion, an der Oberfläche, aber auch in einem komplexen System, das notwendig ist, um in der Stadt Bäume wachsen, große Kronen bilden und überleben zu lassen: Das Prinzip heißt Schwammstadt, dabei geht es darum, Regenwasser möglichst an Ort und Stelle versickern zu lassen und zu nutzen, statt es über die Kanalisation abzuleiten und Bäume extra mit Trinkwasser zu bewässern.

Im Fall Zollergasse kommt dieses Prinzip im Bereich des „Multifunktionsstreifens“ in der Straßenmitte zum Einsatz. Unter dem Straßenraum wurde eine Schicht aus grobkörnigem Schotter und wasserspeichernden Materialen wie Aktivkohle eingebracht. Der Granitstein ist versickerungsfähig, die Bäume stehen in Baumscheiben, ihr Wurzelwerk hat aber Kontakt zu den Schotterschichten, so kommen sie an gespeichertes Regenwasser. Im Winter kann das System umgestellt werden, mit Streusalz verunreinigtes Wasser wird in die Kanalisation geleitet. Außerdem wird die Kanalisation durch das System bei Starkregen entlastet.

Komplizierte Systeme, viel Aufwand, um knapp 200 Meter Gasse in einem ohnehin mit Neugestaltungsprojekten gesegneten Grätzel umzubauen? Das kritisieren die einen, auch das Bächlein samt den Düsen, aus denen Wasser sprudelt und mit denen die Zollergasse schon am ersten Tag zum Wasserspielplatz wird, sorgte umgehend für Häme. Sehr wenig Wasser, angesichts des vielen sehr heißen Steins und Asphalts, aus denen die Stadt (bis auf die wenigen kühlen Meilen) sonst so besteht. Mehr Grün, mehr Restriktionen für den Kfz-Verkehr wären wohl auch gegangen, meinen manche.

„Stadt bleibt Stadt“

Stadt bleibt Stadt, heißt es dazu aus dem Bezirk. Man sei eben in einer Wohn- und Geschäftsstraße, nicht in einem Wald – das bedingt Verkehr, Zufahrtswege für Lieferanten Anrainer, Einsatzfahrzeuge und barrierefreie Straßenbeläge. Aber immerhin seien nun zehn Prozent der gesamt 1550 Quadratmeter Fläche, die umgebaut wurden, begrünt.

Für Bezirksvorsteher Reiter ist die Gasse ein weiteres Vorzeigeprojekt der „Kühlen Zone Neubau“ – mit der der grüne Bezirk zeigen will, wie Anpassung an den Klimawandel funktionieren kann. Und das Modell macht Schule, mittlerweile gibt es ähnliche Projekte in periphereren Gegenden Wiens: Die Ottakringer Thaliastraße, das Gersthofer Platzl in Währing oder der Praterstern werden nach ähnlichen Konzepten begrünt, gekühlt, verkehrsberuhigt. Und vielleicht fließt ja auch dort dann irgendwann ein „Bach“.

(Die Presse)

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