Die Vorwürfe, wonach die OMV zu viel für die Anteile am Kunststoffhersteller bezahlt habe, rechtfertigen keine weiteren Ermittlungen, sagt die Staatsanwaltschaft.
Wien. Der scheidende OMV-Chef Rainer Seele hat eine Sorge weniger: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat eine zweite Anzeige in Zusammenhang mit dem Kauf der Borealis zu den Akten gelegt. „Mangels Anfangsverdacht wird kein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, sagte Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl auf Anfrage der „Presse“.
Zur Erinnerung: Der knapp vier Milliarden Euro schwere Kauf der Mehrheit am Kunststoffhersteller Borealis löste innerhalb und außerhalb der OMV massive Kritik aus. Während sich die internen Kritiker vor allem gegen den damit eingeleiteten Umbau des alten Öl- und Gaskonzerns in ein Chemieunternehmen wehrten, vermuteten Außenstehende, dass der teilstaatliche Konzern für die zusätzlichen 39 Prozent an Borealis einen überhöhten Preis gezahlt habe. Verkäuferin war die Mubadala Holding des Emirats Abu Dhabi. Mubadala ist auch eine Großaktionärin der OMV selbst und Syndikatspartnerin der Republik Österreich. Die staatliche Öbag hält 31,5 Prozent an der OMV, Mubadala 24,9 Prozent.
Seeles Vertraute hätten dem OMV-Aufsichtsrat vor dessen Zustimmung entscheidende Details über die wirtschaftliche Situation der Borealis vorenthalten, lauteten die Anschuldigungen stets. Einen Beweis dafür gibt es bis heute nicht. Nachdem eine erste anonyme Anzeige bereits im Herbst von der WKStA nach erster Prüfung nicht weiter verfolgt wurde, setzte die Neos-Abgeordnete Karin Doppelbauer mit einer zweiten Anzeige nach. Auch diese ist nunmehr von der Staatsanwaltschaft als zu wenig gehaltvoll bewertet worden.
Borealis-Chef wird OMV-Chef
Rein wirtschaftlich stellt sich die Frage nach Sinn und Unsinn des Zukaufs nicht wirklich. Im ersten Quartal erwirtschaftete die OMV einen bereinigten Betriebsgewinn von 870 Millionen Euro – ein Viertel mehr als vor einem Jahr. Mehr als die Hälfte davon, 440 Millionen Euro, steuerte das frisch zugekaufte Chemie- und Kunststoffgeschäft bei. „Ich glaube, dass gerade das erste Quartal deutlich zeigt, dass die Borealis deutlich mehr wert ist, als wir selbst im letzten Jahr geglaubt haben“, sagte Konzernchef Rainer Seele damals.
Dennoch wurde der Kauf der Borealis letztlich auch zum Stolperstein für den deutschen Manager. Nach heftigem Gegenwind aus den eigenen Reihen kündigte Seele jüngst den Rückzug von der OMV-Spitze an. Die Umwälzung des Geschäftsmodells des Energiekonzerns wird Seele also nicht mehr entscheidend beeinflussen. Auch die für Juli geplante Präsentation der neuen Unternehmensstrategie wurde ersatzlos gestrichen. All das muss nun sein designierter Nachfolger übernehmen. Alfred Stern, bis vor Kurzem noch Chef der Borealis, wird mit 1. September OMV-Chef und steht nun vor der Aufgabe, ein zerstrittenes Unternehmen auf einen völlig neuen Kurs umzusteuern.