Sehr beliebt, nicht nur diesen Sommer: die Alpenüberquerung.
Nachhaltigkeit

Reisen und kaum Spuren hinterlassen

Was heißt umweltbewusst reisen? Was ist im Tourismus sozial verantwortbar? Ein Veranstalter schraubt am Fußabdruck seiner Reisen.

Die Macht der Pandemie hat die Nachhaltigkeitsagenda medial verdrängt. Die aktuellen Klimaereignisse bringen ihr nun wieder Aufmerksamkeit. Ungeachtet dessen – mit den Fragen, wie ein umweltbewusster und gesellschaftlich verantwortungsbewusster Tourismus aussehen könnte, beschäftigen sich einige Reiseexperten schon sehr viel länger. Für manche bot sich in der Zeit von Lockdowns, Geschäftsausfall und geschrumpfter Reisewelt die Möglichkeit, Neues zu entwickeln, Altes zu hinterfragen.

Nutzen und Verantwortung

Aufgreifen alter Strecken: Abseits der Massen auf den alten Schmugglerwegen (Ruta Contraban).
Aufgreifen alter Strecken: Abseits der Massen auf den alten Schmugglerwegen (Ruta Contraban).ASI

„Wir haben die Zeit genutzt, um den ökologischen Fußabdruck unserer Reisen zu überprüfen“, erklärt Ambros Gasser, CEO von ASI Reisen in Innsbruck. Dies soll den Reisenden helfen, ihre Auswahl bewusster und nachhaltiger zu treffen, das sei auch im Sinne einer Corporate Social Responsibility. „Wir berechnen bei allen von uns konzipierten Reisen den CO2-Ausstoß, reduzieren diesen und kompensieren, was übrig bleibt“, erklärt Gasser. Für einen der Natur verbundenen Anbieter von Aktiv- und Erlebnisreisen weltweit gehe es auch um die lokale Wertschöpfung: „Wir berechnen sie für unsere Reisen, schauen, wie viel wirklich bei den Menschen vor Ort bleibt, und versuchen die Wertschöpfung dort noch zu erhöhen.“
Weltweite Reisen, sei's zum Trekken in den Himalaya, sei's zum Inselspringen auf den Azoren – bei einem solchen Portfolio komme man natürlich nicht ums Fliegen umhin. „Wenn wir bei unseren Reisen die Emissionen nicht einsparen können, kompensieren wir sie zur Gänze“, erklärt Gasser. Dass sein Unternehmen auf Zubringer- oder Inlandsflüge innerhalb der D-A-CH-Region ganz bewusst verzichtet, erzeugt bei Kunden mitunter Erklärungsbedarf. Doch ASI Reisen ziehe das durch, genauso wie dass das Bahn- und Busnetz so weit wie möglich genutzt wird.

Langsame Annäherung

Und es mache immer einen Unterschied, wie man touristischen Hotspots begegnet, solchen wie der Felsenstadt Petra: „Wir nähern uns langsam, wir wandern hin, zu einer anderen Uhrzeit als die starken Besucherströme und in einer kleineren Gruppe“, schildert Gasser. Nicht alles, was machbar ist, hält er für ein Reiseunternehmen vertretbar, etwa die Besteigung des Kilimandscharos in acht Tagen inklusive Flug. „Da passt weder die CO2-Bilanz pro Reisetag noch kann von einer gesunden Akklimatisation gesprochen werden.“

Wenn schon weit weg, dann  länger und respektvoll wie möglich: Trekken in Nepal.
Wenn schon weit weg, dann länger und respektvoll wie möglich: Trekken in Nepal.(c) Niklas Siemens

Gleich nach Ausbruch der Coronapandemie entschloss sich Gasser, mit seinen ASI Reisen Teil von Leaders for Climate Action zu werden, die Organisation vereint Unternehmer, die den Klimaschutz vorantreiben wollen. Für das „Green Pledge“ müssen diese alle am eigenen Standort anfallenden Emissionen messen, ausgleichen und Maßnahmen setzen. Das dürfte in diesem Fall kein Problem sein – die Unternehmenszentrale ist ein klimaneutrales Gebäude, vor zwei Jahren mit Umsicht in den Tiroler Wald integriert und von Snøhetta Architekten, die auch in Innsbruck einen Sitz haben, geplant.Von weltweiten Reisen ist heuer natürlich kaum die Rede, auch wenn man – im Sinne der Verantwortung – zu seinen internationalen Partnern die Beziehungen aufrecht hält. Wie viele Anbieter konzentriert man sich aufs Nahgeschäft, den Alpenraum. Hier bedeutet Nachhaltigkeit für einen Reiseveranstalter, sich Routen und Regionen zu überlegen, die nicht überlaufen sind, und kleine Strukturen zu nutzen. So können sie Beherbergern und Gastronomen Gäste bringen, die diese früher an die alpinen Hotspots verloren haben. Es muss also nicht immer die Alpenüberquerung Oberstdorf–Meran sein, wenn Garmisch–Sterzing eine stillere Version bietet. Und dass alle immer auf die höchsten Berge müssen, ist kein alpines Gesetz – wo es doch ebenso lohnende, aber ruhige Touren auf die zweit- oder dritthöchsten gibt. Wann sich die innereuropäische, inneralpine Reisewelt heimischer Anbieter wieder ausdehnt? Da kann Gasser nur mutmaßen: „Vermutlich wird es 2023, bis wir die Welt wieder so bereisen können wie in Zeiten von Prä-Covid“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2021)

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