Taliban

Kabul verhängt nächtliche Ausgangssperre

Ausgangssperre in Kabul
Ausgangssperre in Kabul(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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In 31 der 34 Provinzen Afghanistans dürfen die Menschen nachts nicht mehr auf die Straße. Die Regierung will so den Vormarsch der Taliban begrenzen. US-Präsident Biden bewilligte unterdessen Hilfsgelder für Flüchtlinge.

Angesichts des Erstarkens der radikal-islamischen Taliban nach dem Abzug der internationalen Truppen hat die Regierung in Afghanistan über weite Teile des Landes eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. „Um die Gewalt einzudämmen und die Bewegungen der Taliban einzuschränken“, gelte für 31 der 34 Provinzen eine Ausgangssperre zwischen 22 und vier Uhr, teilte das Innenministerium am Samstag mit. Nur die Provinzen Kabul, Panjshir und Nangarhar seien von der Maßnahme nicht betroffen, hieß es.

Parallel zum Beginn des Komplett-Abzugs der US- und anderer Nato-Truppen hatten die Taliban Anfang Mai eine große Offensive in Afghanistan gestartet. Inzwischen hat die Miliz mehrere Grenzübergänge sowie Dutzende Bezirke erobert und mehrere Provinzhauptstädte eingekreist. Sie kontrolliert rund die Hälfte der etwa 400 Bezirke Afghanistans.

Beobachter befürchten, dass die Islamisten nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen wieder die Macht am Hindukusch übernehmen könnten. Die Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung in Doha sind seit Monaten festgefahren.

Zusicherungen Bidens. US-Präsident Joe Biden sagte dem afghanischen Präsidenten, Ashraf Ghani, in einem Telefonat in der Nacht auf Samstag unterdessen weitere diplomatische und humanitäre Unterstützung zu. Er verurteilte den Vormarsch der Taliban. Formell endet die US-Militärmission in Afghanistan am 31. August.

Biden bewilligte zudem bis zu 100 Millionen Dollar an Hilfsgeldern aus einem Notfallfonds für afghanische Flüchtlinge. Die Notfallhilfen sollen auch für Antragsteller von Sonder-Visaanträgen genutzt werden. Tausende Afghanen, die zuvor als Übersetzer oder in anderen Jobs für die US-Regierung gearbeitet hatten, befürchten Vergeltungsmaßnahmen der Taliban. Sie dürfen nun mit speziellen Einwanderungsvisa in die USA einreisen.

Am Donnerstag hatte das US-Repräsentantenhaus ein Gesetz verabschiedet, das die Anzahl der zu vergebenden Sondervisa um 8000 erhöht – womit alle potenziell infrage kommenden Anträge abgedeckt wären. Insgesamt sind laut der US-Regierung derzeit etwa 18.000 solcher Visaansuchen in Bearbeitung.

Fakten

Der Militäreinsatz in Afghanistan begann nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf Initiative der USA. Mit dem Abzug der US-Soldaten endete auch der Nato-Einsatz in dem Land.

Die radikal-islamischen Taliban haben gleichzeitig mit dem Abzug der internationalen Truppen im Mai eine Offensive gestartet und kontrollieren nun einen bedeutenden Teil des Landes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2021)

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