Bündnisbruch

Hat die PiS noch eine Mehrheit? Rundfunkgesetz entzweit polnische Regierung

Über das Rundfunkgesetz wird am Mittwochnachmittag abgestimmt. Ein erster Test für Ministerpräsident Morawiecki, ob seine Mehrheit hält.
Über das Rundfunkgesetz wird am Mittwochnachmittag abgestimmt. Ein erster Test für Ministerpräsident Morawiecki, ob seine Mehrheit hält.APA/AFP/JANEK SKARZYNSKI
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Die Gruppe Porozumenie verlässt das Bündnis „Vereinte Rechte“. Offen ist, ob die PiS von Regierungschef Morawiecki genügend Stimmen im Parlament für ihre umstrittenen Reformpläne findet. Da müssten wohl auch einige Porozumenie-Abgeordnete die Seite wechseln.

Nach der Entlassung des polnischen Vize-Ministerpräsidenten Jaroslaw Gowin ist das nationalkonservative Regierungsbündnis zerbrochen. Der Vorstand von Gowins konservativer Gruppierung Porozumenie (Verständigung) beschloss am Mittwoch, das Listenbündnis und die gemeinsame Fraktion mit der Regierungspartei PiS zu verlassen. Hintergrund ist ein Streit über das Rundfunkgesetz und ein Konjunkturprogramm.

Man wolle fortan als eigenständige Parlamentariergruppe agieren, teilte Porozumenie-Sprecher Jan Strzezek auf Twitter mit. Mit dem Ausscheiden verliert die PiS ihre absolute Mehrheit im Parlament, nun läuft alles auf eine Minderheitsregierung hinaus. Dies sei ein "reales Szenario", sagte PiS-Sprecher Radoslaw Fogiel dem Portal Wirtualna Polska. "Das Regieren in so einer Situation ist schwierig und unbequem, aber nicht unmöglich."

Am Dienstag hatte Regierungschef Mateusz Morawiecki den Vize-Ministerpräsidenten und Entwicklungsminister Gowin entlassen. Daraufhin hatte Gowin die Zusammenarbeit seiner Gruppierung mit der PiS von sich aus aufgekündigt.

Konjunkturprogramm und Rundfunkgesetz

Hintergrund sind interne Konflikte über ein Konjunkturprogramm und ein neues Rundfunkgesetz. Über die Novelle des Rundfunkgesetzes, die die Vergabe von Lizenzen erschweren würde, soll das Parlament am Mittwochabend abstimmen. Es ist unklar, ob die PiS dafür noch die nötige Mehrheit zusammenbekommt.

Der 59-Jährige Gowin vertritt die konservative Gruppierung Porozumenie (Verständigung), die mit der PiS und einer weiteren Kleinpartei (Solidarna Polska) bisher ein Listenbündnis unter dem Namen "Vereinte Rechte" bildete. Porozumenie stellte im Parlament 12 von 232 Abgeordneten des Regierungslagers.

Als Begründung für Gowins Entlassung hieß es offiziell, seine Gruppierung habe nicht im ausreichenden Tempo an Reformen der PiS mitgearbeitet. Gowin hatte kritisiert, dass für ein geplantes Konjunkturprogramm massive Steuererhöhungen vorgesehen sind.

Eigentlicher Hintergrund ist aber der Streit um eine Novelle des Rundfunkgesetzes. Die von der PiS im Juli eingebrachten Pläne sehen vor, dass Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden können, wenn diese "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben". Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht abhängig sein darf von jemandem, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb hat.

Privatsenter TVN im Visier

Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie. Am Dienstag waren mehrere Tausend Menschen gegen das Gesetz auf die Straße gegangen. Gowin hatte die Novelle kritisiert.

Mit dem Ausscheiden von Porozumenie aus dem Regierungsbündnis verliert die PiS ihre absolute Mehrheit im Parlament. Ihr Sprecher Fogiel betonte dennoch, dies sei nicht das Ende des Bündnisses. Er zeigte sich optimistisch, dass man für die Verabschiedung des neuen Rundfunkgesetzes die nötigen Stimmen zusammenbekommen werde. "Wenn es um die Mehrheit im Sejm geht, bin ich beruhigt."

Polnische Medien schließen nicht aus, dass die PiS versuchen wird, sich für das Rundfunkgesetz die Unterstützung mehrerer Abtrünniger aus Gowins Lager sowie die Stimmen der rechten Anti-System-Partei Kukiz und einiger fraktionsloser Abgeordneter zu sichern.

(APA/AFP/PAP/Reuters/dpa)

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