Reisende sind entnervt: Ein Streik legt den Bahnverkehr in Deutschland vielerorts lahm. Wenn nicht alles täuscht, dann ringt hier nicht nur eine Gewerkschaft um höhere Tarife, sondern auch um das eigene Überleben.
Berlin. Am Berliner Hauptbahnhof, einem modernen Glasbau am Ufer der Spree, ist an diesem Mittwoch vieles anders als sonst. Vor allem die Gemütslage der Reisenden. Im „Einstein Kaffee“ hält eine sichtlich entnervte Mutter ihr Baby im Arm und bei Laune, während ihr Mann, Marc, 34, herumtelefoniert. Dann steht der Entschluss fest: „We fly.“ Statt am Mittwoch mit dem Zug jetten sie am Freitag mit dem Flugzeug in die dänische Heimat. Auf eine „unpredictable“, also unberechenbare, Odyssee mit der Bahn lassen sie sich nicht ein. Nicht mit Baby, Kinderwagen, Trolley, Koffer.
Die Jungfamilie ist zwischen die Fronten eines Arbeitskampfs geraten, von dem sie nicht wusste, dass es ihn gibt, bis sie 15 Minuten vor der Abfahrt ihres Fernzugs per E-Mail die Nachricht ereilte, dass ihr ICE „gecancelt“ sei. Dass die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer, die GDL, die Arbeit niederlegt, erfuhren aber auch fleißige Medienkonsumenten nicht bedeutend früher.