MotoGP

Wer auf nasser Strecke zaubern kann

Die vielen Perspektiven des Österreich-GP. Zum Schluss gewann Brad Binder dank des „freiwilligen Verzichts“ auf Regenreifen.
Die vielen Perspektiven des Österreich-GP. Zum Schluss gewann Brad Binder dank des „freiwilligen Verzichts“ auf Regenreifen. AFP
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Brad Binder raste auf der KTM RC16 zum Sieg beim Grand Prix von Österreich. Der Südafrikaner, 26, schaffte das Kunststück bei einsetzendem Regen auf glatten Slicks-Reifen.

Spielberg. Moto-GP-Piloten sind nicht zu Unrecht als „wagemutige Verrückte“ verschrien. Denn was Brad Binder am Sonntag beim Grand Prix von Spielberg auf den zusehends nasser werdenden Asphalt gezaubert hat, kann anders auch gar nicht beschrieben werden. Denn der Südafrikaner, 26, verzichtete auf den Wechsel des Motorrads – das ist bei Regen des Set-ups wegen in der MotoGP erlaubt – und fuhr bei nassen Verhältnissen die letzten vier Runden mit einmal mehr, einmal weniger schlitterndem Bike durch. Der KTM-Pilot feierte einen umjubelten Heimsieg für den österreichischen Hersteller, den zweiten in Folge nach dem Vorjahrestriumph durch Miguel Oliveira.

Führende oder Stars wie Marc Márquez hatten den Weg in die Boxengasse als unausweichlich gesehen. Binder nicht, er blieb heraußen, zog behutsam am Gashebel der RC16 und fuhr bei einsetzendem Regen dem Sieg entgegen vor 86.000 Zuschauern. Ihm folgten die Ducati-Piloten Francesco Bagnaia und Jorge Martin – beide auf Regenreifen – auf das Podest. Martin, der aus der Pole-Position gestartet war, verpasste damit nach seinem Triumph beim Steiermark-GP als Dritter den Doppelsieg 2021 in Spielberg. Superstar Valentino Rossi wurde bei seinem letzten Österreich-GP Achter.

Speed und Stil

Der Südafrikaner aus Potchefstroom, 26, ist seit 2011 in der Motorrad-WM unterwegs. Aus dem RB-Programm mit dem „Rookies Cup“ entsprungen, düste Binder schon zu WM-Ehren in der Moto3 (2016), 17 Grand-Prix-Siege stehen jetzt zu Buche und wer die Begeisterung von KTM-Sportdirektor Pit Beirer gesehen hat, der weiß, welchen Stellenwert jetzt dieser Sieg für ihn, das in Mattighofen angesiedelte Werk und seinen Fahrer haben muss. KTM allein brachte für dieses Wochenende 18.000 Mitarbeiter (trotz Betriebsferien) auf die Strecke.

Beim Hersteller aus Oberösterreich wähnt man sich nach einem äußerst zähen Saisonbeginn längst im Hoch. Seit Mugello läuft die RC16 wieder richtig gut, Binder stellte einen Speed-Rekord mit 362,4 km/h auf und der in Wien-Landstraße lebende Oliveira gewann in Katalonien. Beirer wusste, dass KTM dank starker Bremsen maßgeschneidert ist für den hügeligen Stop-and-go-Kurs. Und Erfolge im Motorsport sind noch besser für das Geschäft, dabei könnten die Verkaufszahlen des Zweirad-Giganten (Straßen-WM, Dakar etc.) besser kaum sein. Das Coronajahr 2020 war ein Rekordjahr, 2021 hält man bereits zur Halbzeit bei der Umsatz-Milliarde, verriet Beirer unlängst in Wien. Man toppe also alles noch einmal. Mit Binders Sieg sowieso.

Wer ein Rennen gewinnt, das auf trockener Strecke begann und auf nasser Strecke endete, muss sich um Aufsehen keine Sorgen mehr machen. Dass Binder trotz des ersten Regenschauers nicht in die Box fuhr, imponierte Beirer ungemein. Er habe sich „auf Slicks (vorne hart, hinten medium, Anm.) zum Sieg gezaubert“. Was schon in der Formel 1 unmöglich scheint, ist in der MotoGP eigentlich wirklich nicht machbar. Binder aber zeigte es vor. „Das war unheimlich. Als es anfing zu regnen und alle hereinkamen, habe ich auf Risiko gesetzt. Das ging gut, aber dann wurde der Regen stärker. Meine Bremsen kühlten ab. Am Schluss konnte ich das Motorrad kaum noch halten, weil ich fast keine Bremswirkung mehr hatte. Da dachte ich, das Rennen wäre vorbei.“ (fin)

MotoGP (28 Runden): 1. Binder (RSA) KTM 40:46,928 2. Bagnaia (ITA) Ducati +9,991 Sek. 3. Martin (ESP) Ducati +11,570.

Fahrer-WM (nach 11 von 18 Rennen): 1. Quartararo 181 2. Bagnaia 134 3. Mir 134; 6. Binder 98.

Konstrukteure: 1. Ducati 212 2. Yamaha 209 3. KTM 152.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2021)

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