Edelmetalle

Inflation: Deutsche fliehen in Gold

APA
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Der Goldpreis schwächelte zuletzt. Das tat der Goldbegeisterung keinen Abbruch.

Frankfurt. Die traditionell besonders inflationsängstlichen Deutschen haben ihre Schließfächer und Schatzkisten heuer im Rekordausmaß mit Goldbarren und Goldmünzen gefüllt. Während die Preise für das Edelmetall zuletzt eher sanken, weil Anleger anderswo sich um die mögliche Drosselung geldpolitischer Anreize durch die US-Notenbank Fed sorgten, erreichte der Absatz in Deutschland im ersten Halbjahr das höchste Niveau seit mindestens 2009. Das ergibt sich aus Daten des World Gold Council (WGC).

„Inflationsangst steckt in unserer DNA, und jetzt nimmt das Inflationsrisiko zu“, sagte Raphael Scherer, Geschäftsführer des Händlers Philoro Edelmetalle GmbH, im Interview mit Bloomberg News. „Die Aussichten für Edelmetalle sind sehr positiv.“

Gegenüber dem bereits starken Coronakrisenjahr 2020 ist der Philoro-Absatz noch einmal um ein Viertel gestiegen. Die deutsche Liebe zum Gold geht nicht zuletzt auf die Hyperinflation des Jahres 1923 in der Weimarer Republik zurück. Von den damaligen schwindelerregenden Inflationsraten ist die heutige Teuerung zwar weit entfernt. Doch brachte die Öffnung der Wirtschaft nach den Lockdowns zuletzt Preisanstiege wie seit 2008 nicht mehr. Hinzu kommen die Negativzinsen für Bargeld, die nicht zinstragende Vermögenswerte wie Gold ebenfalls attraktiv machen.

Durch den Bundestagswahlkampf in Deutschland hat das in der öffentlichen Debatte nicht immer ausschließlich rational diskutierte Thema auch eine politische Komponente. Laut WGC-Daten stieg die Nachfrage nach Barren und Münzen im ersten Halbjahr in Deutschland gegenüber den vorangegangenen sechs Monaten um 35 Prozent. Im Rest der Welt war der Anstieg mit 20 Prozent vergleichsweise geringer. Unterdessen sind die Goldpreise seit Anfang Juni um fast sieben Prozent gefallen, da sich der Markt auf ein Zurückfahren der massiven Stützungsmaßnahmen der Fed einstellt. Eine Straffung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist allerdings zuletzt wieder in weite Ferne gerückt, was die Goldnachfrage in Deutschland weiter stützen könnte, selbst wenn die Preise nachlassen.

Goldpreis schwankt stark

Eine Feinunze Gold (31,1 Gramm) kostete zuletzt knapp 1800 Dollar (1530 Euro). Vor einem Jahr war der Goldpreis, angeheizt durch die massiven Krisenbekämpfungsaktionen von Regierungen und Notenbanken, erstmals in seiner Geschichte auf über 2000 Dollar je Feinunze geklettert.

Der Goldpreis neigt zu starken Schwankungen. Nachdem der damalige US-Präsident Richard Nixon 1971 die Goldbindung des Dollar aufgehoben hatte, verzwanzigfachte sich der Goldpreis bis 1981. Dann gab er nach, und es dauerte ein Vierteljahrhundert, bis er wieder einen Rekord erreichte.

Gold gilt als Krisenwährung und langfristiger Inflationsschutz, weshalb ihm die Angst vor hohen Teuerungsraten tendenziell entgegenkommt. Die Notenbanken neigen allerdings dazu, hohe Inflation mit Zinserhöhungen zu bekämpfen. Hohe Zinsen sind wiederum kein gutes Umfeld für Gold, weil es dann hoch verzinste Alternativen gibt. Auch profitierte der Goldpreis (wie die Preise nahezu aller Anlageklassen) in den vergangenen Jahren von den massiven Anleihekäufen der Notenbanken, durch die es zu einem Verdrängungseffekt von Anlegergeldern kam. Wenn die Notenbanken ihre Anleihekäufe drosseln, könnte Gold für Anleger relativ weniger attraktiv werden. (Bloomberg/b. l.)

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