Wie führt Sebastian Kurz eigentlich seine Partei? Er hat gewissermaßen das System Wolfgang Schüssels perfektioniert. Es gibt allerdings auch Unterschiede.
Von dem Journalisten Hans Winkler stammt das Bild aus der Ära Wolfgang Schüssels, dass der damalige ÖVP-Obmann und Bundeskanzler seine Herde umkreise wie ein Hirte. Schüssel, sonst mitunter auch schroff und besserwisserisch, tat das wirklich. Immer wieder, insbesondere vor wichtigen Entscheidungen, rief er die wichtigsten Exponenten seiner Partei durch, traf sich mit ihnen, besprach sich, legte dar, was ihm vorschwebte, hörte zu. Da war Schüssel überaus empathisch, antizipierte Stimmungen, verströmte Vertrauen. Und so war Wolfgang Schüssel lange Zeit, auch in der erfolglosen Phase, als er noch nicht Bundeskanzler war, mehr oder weniger unbestritten an der Spitze seiner Partei, wurde nie ernsthaft infrage gestellt. Auch weil er alternativlos war.
Wie ist das nun bei Sebastian Kurz? Der aktuelle ÖVP-Obmann hat das System Schüssel gewissermaßen perfektioniert. Er hatte zwar das Glück, von Anfang an erfolgreich gewesen zu sein, aber auch jetzt, da die Einschläge näher kamen und ihn das Glück etwas zu verlassen schien, wurde auch er nie infrage gestellt. Kurz ist ebenso – noch mehr als Schüssel – einer, der Stimmungen wahr- und aufnimmt, das Gefühl vermitteln kann, dass er zuhört. Auch die gewisse intellektuelle Überheblichkeit, die Schüssel das Leben mitunter schwer gemacht hat – noch stärker war das freilich bei Erhard Busek der Fall –, fehlt bei Kurz.