Afghanistan-Flüchtlinge: Asselborn ruft zu Widerstand gegen Österreich auf

APA/HOPI-MEDIA/Lukas Wagner
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Außenminister Schallenberg wies die Kritik als "absurd" zurück und warf seinem luxemburgischen Kollegen vor, "billigen Populismus" zu betreiben.

Es sind scharfe Worte, die Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zur österreichischen Position in der Debatte um die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen fand: "Ich hoffe, dass es Widerstand gibt gegen Herrn Kurz aus Österreich und Herrn Jansa aus Slowenien, die sich beide klar und definitiv im Einklang mit Orban, Salvini und Le Pen befinden", sagte Asselborn in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung "Die Welt". Neben Österreich nannte der Luxemburger damit auch explizit den EU-Vorsitz. Als „absurd“ wies Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) die Kritik am Dienstag zurück.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der slowenische Regierungschef Janez Jansa würden genauso wie der ungarische Regierungschef Viktor Orban und die rechtspopulistischen Politiker in Italien und Frankreich, Matteo Salvini und Marine Le Pen, eine "direkte menschliche Solidarität in diesem extrem dramatischen Moment mit dem gefolterten Volk in Afghanistan" ablehnen, erklärte der luxemburgische Sozialdemokrat, der auch Migrationsminister ist, vor dem Sondertreffen der EU-Innenminister am Dienstag. Und: "Sie verlieren damit die Qualität, ein Europäer zu sein." Nach Ansicht des dienstältesten Außenministers der EU sollte die Union, "40.000 bis 50.000 Resettlement-Plätze für afghanische Flüchtlinge" zur Verfügung stellen.

„Luxemburg müsste mehr Afghanen aufnehmen"

Außenminister Schallenberg warf Asselborn "billigen Populismus" vor. Die Kritik an Kurz sei "schlicht absurd", so Schallenberg unter Verweis darauf, dass Österreich weltweit gesehen pro Kopf die viertgrößte Community an Afghanen und die zweitgrößte innerhalb der EU beherberge. "Es wäre zu begrüßen, würde Asselborn einen ähnlichen Grad an Solidarität und Mitmenschlichkeit zeigen. Dafür müsste Luxemburg nämlich sechs Mal so viele Afghanen aufnehmen, wie derzeit dort leben. Dann wäre er vielleicht in einer Position, Ratschläge zu erteilen", erklärte er am Dienstag in einer Stellungnahme.

Luxemburg sei herzlich eingeladen, mit Österreich gleichzuziehen. "Bis dahin gilt 'si tacuisses, philosophus mansisses' (Wenn du geschwiegen hättest, wärst du Philosoph geblieben, Anm.)", so der Außenminister. Also sinngemäß: Asselborn zerstöre durch seine Äußerung selbst seinen guten Ruf. "Die tragische Situation in Afghanistan für billigen Populismus zu missbrauchen und die Fehler aus 2015 und 2016 blind zu wiederholen, macht einen noch lange nicht zum guten Europäer", kritisierte Schallenberg.

„Es braucht Freiwilligkeit“, meint Nehammer

Die Frage nach dem Umgang mit afghanischen Flüchtlingen sorgt innerhalb Europas seit Tagen für hitzige Diskussionen. In Brüssel kamen am Dienstag die EU-Innenminister zusammen, um über diese Frage zu beraten; am Mittwoch und Donnerstag treffen sich die EU-Verteidigungsminister in Slowenien.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bekräftigte vor dem Treffen, keine zusätzlichen Afghanen aufnehmen zu wollen. "Es braucht die Freiwilligkeit", sagte Nehammer in Hinblick auf mögliche EU-Umsiedlungspläne (Resettlement) für afghanische Flüchtlinge. Aber so lange Österreich "so hohe Belastung durch irreguläre Migration" habe, finde er es "völlig unangemessen, über Resettlement zu reden".

Konkrete Zusagen der EU-Staaten für etwaige neue Resettlement-Bemühungen werden heute nicht erwartet. Laut einem EU-Beamten fordert die EU-Kommission, dass die EU-Länder bis 2022 insgesamt 30.000 Menschen neu ansiedeln sollen - und zwar für alle Flüchtlingskategorien, wie das Nachrichtenportal Politico berichtete. Das bedeutet, dass ein neues Neuansiedlungsprogramm speziell für Afghanen, zusätzlich zu diesen 30.000, vorerst nicht in Betracht kommt.

„Moralische Pflicht des Westens"

In einem Interview mit dem Münchner „Merkur“ äußerte sich am Dienstag auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU). Der deutsche Politiker sieht "eine moralische Pflicht" des Westens in Bezug auf Afghanistan. "Es gibt Menschen, die für uns in den vergangenen Jahren den Kopf hingehalten haben. Die haben Solidarität und Hilfe verdient."

Afghanische Flüchtlinge könnten mit sogenannten Resettlement-Programmen aufgenommen werden, so der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, der auch die ÖVP angehört. Jetzt schlage die Stunde Europas. "Deshalb finde ich es sehr irritierend, dass bisher keine Sondersitzung des Europäischen Rates einberufen wurde, in der sich die europäischen Staaten abstimmen. Wir befinden uns an einem Wendepunkt für die westliche Welt. Da muss man sich nichts vormachen." 

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