Der Rückzug Canberras aus dem milliardenschweren U-Boot-Deal mit Paris stellt beide Länder vor Herausforderungen. Was steckt dahinter? Und mit welchen Konsequenzen dürfte der französische Industriekonzern Naval Group nun rechnen?
Für Frankreich ist es ein harter Schlag, für Australien ein technisches und finanzielles Wagnis: Der Rückzug Canberras aus dem milliardenschweren U-Boot-Deal mit Paris stellt für beide Länder eine Herausforderung dar. Statt auf französische dieselbetriebene U-Boote setzt Australien nun im Rahmen des neuen Indopazifik-Sicherheitspakts (AUKUS) mit den USA und Großbritannien auf US-Atom-U-Boote. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen zu dem geplatzten Geschäft:
Was beinhaltete der von Australien aufgekündigte Vertrag?
2016 beauftragte Australien den französischen Industriekonzern Naval Group mit dem Bau von zwölf dieselbetriebenen U-Booten, mit denen die aus den 90er Jahren stammende australische U-Boot-Flotte aus schwedischer Herstellung ersetzt werden sollte. Damit wollte Canberra dem wachsenden Einfluss Pekings im Pazifik entgegentreten.
Das Gesamtvolumen des Vertrags, von dem lediglich die ersten Phasen festgezurrt worden waren, belief sich auf 50 Milliarden australische Dollar (31 Milliarden Euro) zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung. Werden die Inflation über die gesamte Laufzeit des Projekts sowie Kostenüberschreitungen mit eingerechnet, ist von 90 Milliarden Dollar auszugehen.
In Frankreich wurde der Vertrag als "Jahrhundert-Deal" bezeichnet. Sowohl für ein französisches Unternehmen als auch für Australien war es der bis dato größte Vertrag im Rüstungsbereich. Auch die USA hatten das Geschäft abgenickt; der US-Hersteller Lockheed Martin sollte das Abwehrsystem der U-Boote liefern, was ein Drittel des Vertragsvolumens ausmachte.
Warum lieferte Frankreich keine Atom-U-Boote?
Die Ironie sei, dass sich Australien damals für ein atombetriebenes U-Boot französischer Herstellung entschieden habe und "Millionen an Dollar für die Umwandlung" in ein dieselbetriebenes ausgegeben habe, sagte Peter Jennings vom australischen Institut ASPI dem Sender ABC News.
Bei den für Australien bestimmten U-Booten handelte es sich zunächst um atombetriebene Jagd-U-Boote vom Typ Barracuda, die sich Frankreich gerade zulegte. Eine Kooperation im Atombereich sei jedoch nicht möglich gewesen, da Frankreich keine atomaren Rüstungsgüter exportiert. "Das ist das Herzstück seiner Souveränität", sagte Thomas Gomart vom französischen Ifri-Institut.
"Wir waren nie wegen einer Kompetenz gefragt, die wir besitzen und die uns niemand abspricht", sagte dazu Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly. Allerdings unterstützt Paris seit langem Brasilien bei der Entwicklung von Fähigkeiten zur Herstellung eines eigenen atombetriebenen U-Bootes.
Was sind die Konsequenzen für die Naval Group?
Dass der Deal gescheitert sei, sei hart, aber nicht tödlich, sagte ein Branchenkenner. Der Vertrag mit Australien, für den in Frankreich 650 Menschen beschäftigt waren, stellte zehn Prozent des Unternehmensumsatzes dar. Zwar habe das Aus des Geschäfts "Folgen", bedrohe aber nicht die Zukunft des Konzerns, ist aus dem Unternehmen zu hören.
Neben anderen Rüstungsprojekten ist der Bau weiterer U-Boote vom Typ Barracuda bis 2030 vorgesehen. Zudem soll Indien mit sechs konventionellen U-Booten beliefert werden, Brasilien mit vier. Überdies sind weitere Vertragsabschlüsse mit Indien und den Niederlanden geplant.
Was sind die Konsequenzen für Australien?
Australischen Medienberichten zufolge dürften auf Canberra mehrere hundert Millionen Dollar Schadenersatz zukommen. Die Naval Group hat bereits erklärt, Australien in Kürze die Rechnung zukommen lassen zu wollen. Dabei handle es sich um einen "detaillierten und kalkulierten Vorschlag" zu den Kosten für die Absage der vereinbarten Lieferung.
Jean-Pierre Maulny vom Institut für internationale strategische Beziehungen (Iris) zufolge sollten 60 Prozent des Vertragswertes in Australien selbst ausgegeben werden. Nach Unternehmensangaben hatte Naval Group vor Ort bereits 350 Menschen rekrutiert, bis 2026 sollten es insgesamt 1.800 sein.
Beobachter geben an, die Umsetzung des Vertrags sei bereits schwierig und die "australische Industrie nicht bereit" gewesen. Zu den Plänen, nun mithilfe der USA und Großbritanniens atombetriebene U-Boote herstellen zu wollen, sagte Maulny: "Ich weiß nicht recht, wie sie das machen wollen." Der Zeitplan für den Austausch der bisherigen U-Boot-Flotte dürfte sich nun noch weiter verzögern.
(APA/AFP)